Süddeutsche Zeitung

Niklas Süle:Erst mal einen Gruß nach München

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Der BVB präsentiert stolz Niklas Süle im schwarz-gelben Trikot. Der nutzt die ersten Interviews als Angestellter von Borussia Dortmund, um die Deutungshoheit über sich und seinen Wechsel wieder zu gewinnen.

Von Martin Schneider

Der BVB wollte offensichtlich keine Zeit verlieren. Seit dem 1. Juli 2022 ist das Vertragsverhältnis zwischen der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA und dem Angestellten Niklas Süle in Kraft, und am 1. Juli postete der klubeigene Social-Media-Kanal prompt die ersten Bilder des Verteidigers im BVB-Trikot, gefolgt vom ersten Video-Interview mit der Presseabteilung, gefolgt vom ersten gedruckten Interview im Vereinsmagazin.

Es ist nicht so, als ob Süle der einzige Spieler wäre, den die Borussia in diesem Sommer verpflichtet hätte, im Gegenteil. Der Klub betreibt einen groß angelegten Kaderumbau, neben Süle sind unter anderem auch die deutschen Nationalspieler Nico Schlotterbeck und Karim Adeyemi neu in schwarz-gelb, aber man kann natürlich verstehen, warum der Klub den 1,95-Meter-Mann sofort ins Schaufenster stellt.

Süle ist aus zwei Gründen immer noch ein besonderer Transfer. Zum einen, weil er von München nach Dortmund gezogen ist und nicht umgekehrt. Und wer nun formal darauf hinweist, dass dies in jüngerer Vergangenheit auch für die Spieler Mats Hummels und Mario Götze galt, der unterschlägt, dass beide vorher schon die entgegengesetzte Richtung genommen hatten. Süle spielte noch nie für Dortmund.

Und zum anderen, weil der Süle-Transfer seit Beginn von mehr oder weniger offenen und heftigen Kommunikationsscharmützeln begleitet wird, an denen man erkennt, dass die Deutungshoheit hier eine große Rolle spielt. Süle oder seine Vertreter reden in unterschiedlichen Worten von Respekt und Wertschätzung, die ihm in München nicht entgegengebracht worden seien, und er greift das Thema auch in seinem ersten Interview für den BVB auf. "In meiner Karriere wurde ich trotz aller sportlichen Erfolge nicht immer so respektiert, wie ich es meiner Meinung nach verdiene. In den Gesprächen mit dem BVB wurde mir dieser Respekt sofort und sehr glaubwürdig entgegengebracht."

Der FC Bayern dagegen verbreitete die These, dass Wertschätzung und Respekt eher in einem pekuniären Sinne gemeint sind. "Die Märchen, dass er in Dortmund weniger verdient als in München, die könnt ihr alle vergessen", sagte das Aufsichtsratsmitglied Uli Hoeneß bei der Meisterfeier am Marienplatz. Der Konflikt schaukelte sich gegen Ende so weit hoch, dass auch Süles Fernbleiben am 34. Spieltag zum offenen Streit führte. Hoeneß nannte das Verhalten "katastrophal", Süle konterte, das sei mit dem Trainer abgesprochen gewesen.

Management und Mannschaft des FC Bayern beurteilen Süles Wert offenbar unterschiedlich

Unabhängig davon würde der FC Bayern aber natürlich keinen Spieler in Richtung Dortmund verlieren, den man "unbedingt" im Sinne von "unbedingt" halten wollen würde und wenn man das im Hinterkopf hat, dann ergibt sich ein Bild, das alle Aussagen sinnvoll verknüpft. Nämlich jenes, dass die Einschätzungen über den Wert von Niklas Süle für den FC Bayern bei den Parteien Niklas Süle und FC Bayern unterschiedliche waren - jedenfalls im Management.

In der Mannschaft der Münchner hatte Süle einen hohen Stellenwert, mit Spielern wie Leon Goretzka und Joshua Kimmich spielte er schon in der Jugend, Kapitän Manuel Neuer bedauerte öffentlich seinen Weggang und sprach im Namen der Mannschaft aus, dass der Wechsel "nervt". Und dass Süle - 27 Jahre alt und erfahren in der Champions League - bei einem anderen Klub, eventuell in England, mehr hätte verdienen können als in Dortmund, ist auch keine gewagte Aussage.

Mit den Transfers des Sommers kopiert der BVB einen alten Hoeneß-Leitsatz

Mit der Abwehr Schlotterbeck/Süle, je nach Formation und Tag auch in Kombination mit Mats Hummels, kopiert der BVB zudem in diesem Mannschaftsteil einen alten Hoeneß-Leitsatz, wonach die besten deutschen Spieler in München spielen müssen. Die Verteidigungssprache des FC Bayern ist dagegen nach Süles Abgang mit den vier zentralen Abwehrspielern Benjamin Pavard, Dayot Upamecano, Lucas Hernandez und Tanguy Nianzou nun endgültig französisch.

Stichwort Kommunikation: Süle ist sich bewusst, dass er auch auf diesem Feld nun eine andere Rolle einnehmen wird. Er sei 27 Jahre alt, könne sich nicht mehr verstecken. Und ihm ist offenbar auch klar, welche Vorwürfe ihm bezüglich seiner körperlichen Fitness hinter vorgehaltener Hand gemacht werden. "Die Leute, die sowas in die Welt setzen, sehen immer nur den Niklas Süle, der ehrlich zugibt, dass er gerne mal einen Burger isst oder ein Bier trinkt. Ja und? Meinst du, andere Profis machen das nicht? Die reden nur nicht drüber", sagt er im Mitgliedermagazin.

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