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Neuer Klub für Lukas Podolski:Praxissemester am Bosporus

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Spannendes Experiment: Lukas Podolski will seine Karriere bei Galatasaray Istanbul in Schwung bringen. Nach schweren Zeiten bei Arsenal und Inter schreckt ihn nicht mal der schlechte Ruf der türkischen Liga.

Von Philipp Selldorf

Grundsätzlich ist Vorsicht geboten, wenn türkische Medien von bevorstehenden spektakulären Transfers in der Süper Lig berichten, in diesem Fall aber berufen sie sich auf ein deutsches Medium, die Bild, die einen vertrauenswürdigen Gewährsmann als Zeugen benennen kann: Nassim Touihiri pflegt mit Lukas Podolski seit gemeinsamen Bergheimer Vorschulzeiten nicht nur eine Sandkastenfreundschaft, er fungiert seit ein paar Jahren auch als Manager des 30 Jahre alten Nationalspielers.

Und in dieser Funktion hat Touihiri nun verraten, dass sein Mandant den FC Arsenal verlassen werde, um einen Drei-Jahres-Vertrag bei Galatasaray Istanbul anzunehmen. Der FC Arsenal, der Podolski zuletzt an Inter Mailand verliehen hatte, erhält eine Ablöse von angeblich vier Millionen Euro.

Diese Nachricht wurde zunächst weder in London noch in Istanbul amtlich bestätigt, auch Touihiri stand für weitere Auskünfte nicht bereit, während Podolski aus seinem Urlaub lediglich ein Foto mit seinem Sohn am Hotelpool herumschickte. Dennoch wird das Geschäft in der Branche als Vollzugsmeldung behandelt. Viele sehen den Transfer als logische Folge von Podolskis jüngstem Karriereverlauf, was ihm nicht unbedingt schmeichelt. Der aktuelle Landesmeister Galatasaray bietet einen Platz in der Champions League, prominente Gesellschaft in der Kabine (Hamit Altintop, Wesley Sneijder, Fernando Muslera, Felipe Melo), die Kapazitäten eines Großklubs, gute Bezahlung und leidenschaftliche Anhänger. Den Job in einer europäischen Spitzenliga kann der Verein jedoch nicht garantieren.

Weder ein Freizeit- noch ein Dinopark

Die türkische Liga hat nach verschiedenen Skandalen, auch um Bestechung und Spielmanipulation, Vertrauen und viele Zuschauer verloren. Sie hat aber nach wie vor einen starken finanziellen Hintergrund und bietet exzentrische Projekte. An der türkischen Riviera hat der Präsident des Aufsteigers Antalyaspor seinem Klub soeben die Dienste des Weltstars Samuel Eto'o gesichert, der Weltstar Ronaldinho soll folgen, angeblich auch der spanische Weltmeister David Villa. Problem: Eto'o und Ronaldinho befinden sich zwar in der Blüte ihres Lebens, nicht aber in der Blüte ihrer Karriere - was sie nicht daran hindert, weiter beachtliche Gehälter einzusammeln.

Dennoch ist die Süper Lig weder ein Freizeit- noch ein Dinopark. Besonders die Istanbuler Spitzenklubs sind international konkurrenzfähig und attraktive Adressen. So lässt sich jetzt, wie es aussieht, der ehemalige DFB-Nationalspieler Andreas Beck, 28, zu Besiktas locken - Hoffenheim soll 1,7 Millionen Euro Ablöse erhalten. Der Meisterschaftszweite Fenerbahce verhandelt mit dem Portugiesen Nani, 28, zuletzt von Manchester United an Sporting Lissabon ausgeliehen.

Lukas Podolski in Istanbul, das könnte ein spannendes, lohnendes Experiment werden. Der türkische Fußball neigt ja nicht nur zur Heldenverehrung, sondern auch zu einer Spielweise, bei der die Taktik nicht im Vordergrund steht. Podolski fällt auf dem Platz ebenfalls selten als Stratege auf. Die Defizite im Theorie-Teil haben seiner Laufbahn zuletzt geschadet.

Nach schweren Zeiten als Reservist bei Arsenal suchte er im Winter Zuflucht bei Inter - und landete beim falschen Klub in der falschen Liga. Für Podolski war es eine verlorene Saison. Bei Auftritten mit der Nationalelf im Frühsommer strapazierte er auch die Geduld seines Förderers Joachim Löw. Der Bundestrainer warnte, dass er ihn nicht länger schonen werde: "Lukas muss spielen!" Galatasaray soll nun der stagnierenden Karriere Schwung verschaffen.

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Quelle:
SZ vom 04.07.2015
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