Süddeutsche Zeitung

Nationalspieler Lukas Podolski:Seelenmassage für den Frustrierten

Lesezeit: 2 min

Von Carsten Eberts, Kaiserslautern

Miroslav Klose mit seinen 71 Toren wird Lukas Podolski in diesem Leben nicht mehr erreichen. Auch Gerd Müller nicht, der 68 Mal traf, eher schon Joachim Streich, der bei 55 Treffern steht. Podolski hat sich am Mittwochabend auf dem Betzenberg auf Rang vier der ewigen DFB-Torjägerliste manövriert. Vorbei an Rudi Völler und Jürgen Klinsmann, 48 Tore in 122 Länderspielen sind es nun, ein wirklich starker Wert. Doch für Podolski ging es an diesem Abend nicht um Rekorde.

Es hatte etwas mit Seelenmassage zu tun, die Podolski vom Kaiserslauterer Länderspielpublikum erhielt. Jedenfalls offenbarten die Zuschauer eine feine Sensorik dafür, dass der Gefühlsfußballer aufgebaut werden musste. Laut war der Jubel bereits, als Podolskis Name als Mitglied der deutschen Ersatzbank verlesen wurde. Noch lauter dann bei seiner Einwechslung eine Viertelstunde vor Schluss, als es 1:2 stand. Den lautesten Moment dieses ansonsten wenig zu Begeisterungsstürmen hinreißenden Testspiels erlebte der Betzenberg in Minute 81, als tatsächlich Podolski den Ball nach Vorlage von Schürrle mit einem kräftigen Linkshieb zum 2:2 über die Linie knallte. Der 29-Jährige grinste breit, das Publikum feierte den Stürmer - und auch ein bisschen sich selbst, als hätte es Podolski zu seinem Tor getragen.

Jeder wusste, dass der vor wenigen Monaten zu Inter Mailand transferierte Stürmer in Italien eine schwere Zeit erlebt. Ihm gelingt wenig bis nichts, Podolski sitzt vornehmlich auf der Bank, wurde von der Presse zuletzt als "schlechtester Einkauf" überhaupt bezeichnet. Podolski selbst warf den Italienern vor, sie wollten in "am Boden sehen". Das Verhältnis scheint vergiftet; dass Inter von einer Weiterverpflichtung des Leihspielers vom FC Arsenal im Sommer absehen möchte, ist kein Geheimnis mehr.

So hob auch der Bundestrainer nach dem Spiel zu einer Verteidigungsrede an. "Manche, hat man das Gefühl, wollen ihn gerne abschreiben", erklärte Joachim Löw. Er selbst werde das nicht tun. Er wisse, dass "der Lukas immer mal für Belebung sorgen kann, für ein Tor sorgen kann". Löw hatte in ähnlich schwierigen Karrierephasen immer zu Podolski gehalten. 48 Tore, erinnerte der Bundestrainer: "Diese Quote spricht für sich."

Podolski selbst mochte nicht viel Auskunft geben an diesem Abend. Er moserte nur kurz. "Jetzt übertreibt nicht", raunte er den Pressevertretern zu: "Nach 15 Minuten alles in den Himmel zu schießen" sei falsch - weil es ja ohnehin bald wieder Kritik geben würde. So übernahmen andere die Rederei. "Lukas ist voller Leben", lobte etwa Sami Khedira. Podolski hatte nach seinem Treffer noch zwei weitere Chancen, war trotz kurzer Einsatzzeit tatsächlich gefährlichster DFB-Angreifer. "Wir vertrauen Lukas", erklärte Khedira in Richtung der Kritiker. Sollten die Italiener ruhig merken, zu was Podolski im Stande ist, wenn man ihm ein Umfeld bietet, das ihm behagt.

Löw beendete den Abend nicht, ohne anzumerken, dass er Podolskis Situation in Italien als wenig befriedigend empfindet. "Es wäre gut, wenn sich das ändert", erklärte Löw. Damit hat Podolski nun von der kompletten DFB-Spitze den Rat erhalten, sich einen neuen Arbeitgeber zu suchen, der besser zu ihm passt. Es wäre verwunderlich, würde der Kölner diesen gut gemeinten Rat nicht demnächst annehmen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2411390
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sz.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.