Süddeutsche Zeitung

Müheloser Bayern-Sieg in Hamburg:Nur Richter Rummenigge schäumt

Lesezeit: 2 min

Nach der deprimierenden Niederlage gegen Madrid versucht der FC Bayern, die Saison mit Anstand zu Ende zu bringen. Der mühelose Sieg beim HSV ist ein angemessener Schritt. Doch der hahnenkämpfende Boateng stört das Einspielen fürs Pokalfinale beträchtlich.

Von Carsten Eberts, Hamburg

Eine fünfstellige Summe muss Jérôme Boateng zahlen. Der Gang von der Tribüne der Hamburger Arena hinein in die Kabine genügte dem Vorstandsboss, um sein Strafmaß zu fällen. Schon kurz nach dem Spiel stand Karl-Heinz Rummenigge vor den Kameras und erläuterte ein Urteil. "Wer nicht hören will, muss fühlen", sagte Richter Rummenigge.

Die 86. Minute beim 4:1-Sieg der Münchner gegen den HSV hatte zuvor eine kuriose Szene erbracht. Das Spiel war längst gewonnen, die Meisterschaft ohnehin, trotzdem fehlte Boateng einiges zur gebotenen Gelassenheit. Stirn an Stirn hahnenkämpfte der Nationalspieler mit Kerim Demirbay, seine Hand wischte durchs Gesicht des Hamburgers, ehe Torwart Manuel Neuer filmreif von der Seite anflog und Boateng von weiteren Schandtaten abhielt.

Boateng sah Rot, die Bundesliga-Spielzeit ist für ihn damit beendet. Und Rummenigge schäumte. "Man hat sich in unserem Trikot sauber und seriös zu verhalten", befahl er: "Solch eine Disziplinlosigkeit wird von Bayern München nicht akzeptiert." Nur wenige Tage nach der (nicht geahndeten) Tätlichkeit von Franck Ribéry gegen Madrids Dani Carvajal stand Rummenigge wohl der Sinn nach einem öffentlichen Zeichen. Ribéry war ungestraft davon gekommen, Boateng musste nun büßen. Wer die Nachricht positiv interpretieren möchte, der sagt, dass der Klub auch nach dem Aus in der Champions League noch lebt. Näher dran an den tatsächlichen Begebenheiten dürfte die Deutung sein, dass die Bayern nach der deprimierenden Niederlage gegen Real Madrid mit aller Macht versuchen, die Saison mit Anstand zu beenden.

Der Sieg beim HSV war - abgesehen von Boatengs Showeinlage - ein angemessener Schritt in diese Richtung. Die Bayern hatten es vermieden, entscheidend in den Abstiegskampf einzugreifen. Das standesgemäße 4:1 fühlte sich sogar zeitweise so lockerleicht an, wie die Münchner seit Wochen nicht mehr auftraten. Insbesondere Mario Götze, gegen Real zunächst nur auf der Ersatzbank, präsentierte seine ansteigende Form. Götze war an drei Toren direkt beteiligt, zwei erzielte er selbst.

Bewerbungslauf für Startplatz gegen Dortmund

"Nach der Champions-League-Niederlage war es heute nicht einfach", gestand Trainer Pep Guardiola: "Der Sieg war gut für unseren Rhythmus in der Vorbereitung auf das Pokalfinale in Berlin in zwei Wochen." Dann wartet Borussia Dortmund, der große Gegner der drei vergangenen Jahre. Nun, da die Champions League wegfällt, bleibt dieses Spiel der einzige Eintrag von Gewicht im Münchner Kalender.

Die Partie in Hamburg sowie das finale Heimspiel gegen Stuttgart werden somit auch zum Bewerbungslauf für einen Startplatz gegen den BVB. Einige konnten sich gegen den HSV empfehlen (Götze, Martínez), andere eher nicht (Müller, Kroos). Einer durfte gar nicht erst vorspielen, Mario Mandzukic, obwohl dieser bekanntlich noch mit Robert Lewandowski um die Torjägerkrone ringt.

Wenn überhaupt, ist dies ein Problem für Mandzukic. Nicht für Guardiola. Er hatte sich anfangs für Müller als falschen Neunerstürmer entschieden, später wechselte er Claudio Pizarro ein, der es ihm drei Minuten später mit einem selbst aufgelegten Fallrückzieher zum 4:1 dankte. "Heute wollte ich, dass Claudio spielt", sagte Guardiola. Es täte ihm schon die ganze Saison über leid, dass er Pizarro so wenig Spielzeit geben könne.

"Sehr schade", befand dies Guardiola, dabei sei Pizarro doch ein "überragender Spieler", darüber hinaus ein "sehr guter Typ in der Kabine". Wer es noch nicht gemerkt hatte: Guardiola war an diesem Nachmittag für das Wohlbefinden beim FC Bayern zuständig. Die Gemeinheiten überließ er Richter Rummenigge.

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