Süddeutsche Zeitung

Motorsport:Die Tradition lebt weiter

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Mit dem Einstieg von Aston Martin ist der Fortbestand der DTM gesichert. Für Vorstand Gerhard Berger enden monatelange Verhandlungen - und seine nächste Mission beginnt.

Von Anna Dreher

Am Freitag konnte Gerhard Berger endlich die Sätze sagen, die er schon so lange hatte sagen wollen. Er wirkte müde. Immer wieder hatte er die gleichen Fragen gehört. Wie geht es weiter mit dem Deutschen Tourenwagen Masters? Naht das Ende der Motorsportserie? Berger, 59, hatte stets geantwortet, noch könne er nichts sagen, aber er sei zuversichtlich. Über ein Jahr hat er Gespräche geführt, für die DTM geworben, um schließlich bekannt geben zu können: Die Serie wird weiterhin mit Teams von drei Herstellern starten. "Die DTM hat in diesem Jahr ein sehr starkes Momentum aufgebaut. Der Höhepunkt ist jetzt", sagte Berger in der Pressekonferenz. Diese Entscheidung sei ein historisches Ereignis für die Serie: Audi und BMW konkurrieren künftig mit Aston Martin. Die britische Automarke wird mit dem Team R-Motorsport antreten. Und das schon 2019, früher als gedacht.

Wenn am Samstag und Sonntag (13.30 Uhr/SAT1) in den letzten beiden Saisonrennen auf dem Hockenheimring der nächste DTM-Titel vergeben wird, kann Berger wieder entspannt durchs Fahrerlager laufen. Und er wird entspannt auf Anrufe reagieren. Das Wichtigste ist ja erledigt. Als vor einem Jahr im Sommer sein Telefon klingelte, hatte der Österreicher noch ein schlechtes Gefühl. Er ahnte, dass das kein erfreuliches Gespräch werden würde. Toto Wolff meldete sich, der Motorsportchef von Mercedes. Berger hörte ihm zu, er hörte, wie Wolff sagte, Mercedes werde aus der DTM aussteigen, der Vorstand habe so entschieden. Künftig werde die Konzentration auf der Formel 1 und der Formel E liegen, die für die elektrische Zukunft der Automobilität steht. Die DTM steht eher für die Vergangenheit.

Mit dem Abschied von Mercedes musste aus dem Erneuerer Berger ein Retter werden

Nach 30 Jahren also würde sich die erfolgreichste Marke verabschieden. Und aus dem Mann, der eigentlich als Erneuerer gekommen war, wurde in diesem Moment ein Retter, der irgendwie versuchen musste, die Traditionsserie am Leben zu erhalten. Der ganze Schwung, den er bringen wollte: weg. "Mercedes war für viele Jahre das Rückgrat der DTM und die Triebfeder in den Anfangsjahren", sagte Berger einen Tag vor der Pressekonferenz. "Mir wäre lieber, wir hätten Mercedes noch viele Jahre dabei. Aber das haben wir nicht mehr. Jetzt kommt es darauf an, wie die Lücke gefüllt werden kann." Bei seinem Einstieg als Vorstand der DTM-Dachorganisation ITR im März 2017 sei stets die Rede von einem langfristigen Plan gewesen, sagte er. Berger sollte die Serie für die drei Hersteller verbessern und die Internationalisierung vorantreiben. Von Ausstiegsgedanken habe er nichts mitbekommen: "Das hat uns alle extrem gerüttelt und Kräfte freigesetzt, wo wir uns sonst vielleicht eher in der Komfortzone bewegt hätten."

Die DTM, das war quasi Mercedes. Seit dem Einstieg 1988 konnte der Titel zehn Mal von fünf Mercedes-Fahrern gewonnen werden, bei bisher 195 Rennsiegen und 143 Pole-Positions. In diesem Jahr konnten sich die Stuttgarter zum siebten Mal in der Hersteller- und zum 14. Mal in der Teamwertung durchsetzen. Sollte der Führende Paul Di Resta (229 Punkte) oder Gary Paffett (225) am Wochenende den Fahrertitel holen, würde zum Abschied das Triple gelingen. Und auf dem Hockenheimring ist Mercedes mit 35 Siegen am erfolgreichsten von allen gewesen. Mit der Marke verknüpft sind Namen wie Bernd Schneider, mit fünf Erfolgen Rekordmeister. Klaus Ludwig holte 2000 noch mit 50 Jahren Siege für die Marke. Und in Ellen Lohr saß im Mai 1992 auch die bislang einzige Frau, die ein Rennen in der DTM gewinnen konnte, in einem Mercedes.

Als bekannt wurde, dass diese Konstante wegbrechen würde, da wussten auch Audi und BMW nicht mehr so richtig, ob die DTM bei aller Tradition noch Sinn ergab für sie. Zumal beide Marken auch in die Formel E investieren. Die Konsequenzen seien noch nicht absehbar, sagte Audi-Sportchef Dieter Gass damals. Er sprach davon, die neue Situation zu analysieren und Alternativen zu bewerten. BMW-Motorsportdirektor Jens Marquardt vermied ebenso ein klares Bekenntnis. Nur zu zweit wollten sie keine Runden mehr im Tourenwagen drehen - auch wenn die DTM 2005 nach dem Ausstieg von Opel bereits sechs Jahre mit diesem Modell funktionierte. Für die Zukunft kam das nicht in Frage.

Also alles vorbei? "Ich kann nicht glauben, dass bei dieser Bühne nicht versucht wird, das gemeinsam über die Runden zu bringen. Das kann ich noch nicht glauben", hatte Berger beim Saisonstart in Hockenheim gesagt. Erst im Sommer dieses Jahres sagte Audi zu nach dem von BMW bereits gegebenen Ja - sofern für die Zeit danach mindestens ein weiterer Hersteller gefunden werden würde. Berger hoffte auf Werbung durch spannende Rennen und verhandelte und verhandelte. Mit Honda, Nissan, Lexus, Toyota - und Aston Martin: "Die Positionen waren ganz unterschiedlich. Aber was allen wichtig war, war die Internationalisierung. Eigentlich sind wir ja nur unsere eigene Konkurrenz, weil man sich lange auf Deutschland konzentriert und Europa vernachlässigt hat." Im Juni wurde am Norisring bekannt gegeben, dass sich die DTM und die japanische Super-GT auf ein gemeinsames technisches Reglement geeinigt haben. Dass das bereits ab 2019 gemeinsame Wettbewerbe ermöglicht, erleichterte Berger die Gespräche. Aber er sagte damals immer noch: "Wir durchleben eine schwere Zeit. Bis jetzt haben wir keine konkrete Lösung."

Der Einstieg von Aston Martin deutete sich bereits im Juli an, als die Schweizer AF Racing AG und die HWA AG die Gründung eines gemeinsamen Unternehmens bekannt gaben. AF Racing hat mit dem Team R-Motosport im GT-Sport bereits Aston-Martin-Fahrzeuge eingesetzt und zusammen mit den Briten und Red Bull das Hyper-Sportwagenprojekt Valkyrie entwickelt. HWA stellt als langjähriger Partner von Mercedes das erfolgreichste Team der DTM. Die von beiden gegründete Firma wird für Entwicklung, Aufbau und Einsatz der Fahrzeuge zuständig sein. Vier Cockpits soll es geben, an welche Fahrer diese vergeben werden, ist noch nicht bekannt.

Berger erhofft sich eine Signalwirkung davon, dass sich eine ausländische Marke verpflichtet hat. Sein Ziel geht über drei Hersteller hinaus. Er will eine möglichst attraktive Rennserie gestalten, in der es nach weiteren Regeländerungen weniger auf technische Finesse oder hohe Finanzen, sondern auf fahrerisches Können ankommt. DTM wird die Serie ab 2020 nicht mehr heißen, wegen der Internationalisierung. Und sie wird weiblicher werden: Im Rahmenprogramm fährt nächstes Jahr neben der Formel 3 auch die Formel W - eine Rennserie nur für Frauen.

Als es am Freitag keine Frage mehr gab, lächelte Gerhard Berger. Es war das Lächeln eines Siegers.

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Quelle:
SZ vom 13.10.2018
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