Süddeutsche Zeitung

Motorradsport:Der Teufel fährt Yamaha

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Fabio Quartararo krönt sich zum Weltmeister und bricht die Vormachtstellung der Spanier in der Königsklasse des Motorradsports. Wächst da einer heran, der Marc Márquez nun stoppen könnte?

Von Thomas Gröbner, München/Misano

Ein Glaswürfel, aus dem Schwefeldampf quillt, darin ein goldener Helm, auf dem eine Teufelsfratze prangt - die Botschaft, die Yamaha in der Ebene der Emilia Romagna in die Welt setzen wollte, war klar: Hölle, der Mann ist schnell.

Es hätte auch wirklich mit dem Teufel zugehen müssen, um Fabio Quartararo, Spitzname El Diablo, noch den Titel in der MotoGP zu entreißen. Nach dem Sturz seines letzten verbliebenen Rivalen Francesco Bagnaia reichte dem Franzosen Rang vier zum Titel in der Königsklasse. Zwei Rennen vor Saisonende ist er nicht mehr zu verdrängen.

Den Respekt des Überfahrers Marc Márquez hat er sich damit verdient. "Heute ist nicht mein Tag, heute ist Fabios Tag", ließ der Spanier nach seinem Grand-Prix-Sieg wissen. Quartararo nutzte, dass der Extraterrestre nach drei Arm-Operationen in diesem Jahr nicht mehr wie ein Außerirdischer, sondern wie ein gewöhnlicher Erdenbewohner unterwegs war und noch nicht der Alte ist - und Valentino Rossi, 42, langsam wirklich der Alte ist.

"Wenn er gewonnen hat, war ich sehr glücklich. Es war, als hätte ich gewonnen"

Schon als der kleine Quartararo mit seinen Eltern von der Côte d'Azur ins motorsportverrückte Spanien zog, da schlug sein Herz für Il Dottore, den ewigen Rossi. "Wenn er gewonnen hat, war ich sehr glücklich. Es war, als hätte ich gewonnen", erzählte Quartararo, als er im vergangenen Jahr neben Rossi auf dem Podium saß. Schmeicheleien, die ein Altmeister wie Rossi eigentlich gerne hört - wenn sie nicht gerade von dem Jungen gekommen wären, der ihm eben das Motorrad unter dem Hintern weggezogen hatte. Denn vor der Saison hatte Yamaha den halb so alten Quartararo,22, befördert und dafür Rossi ins Yamaha-Kundenteam Petronas degradiert.

Eine Majestätsbeleidigung eigentlich, das ahnte Quartararo: "Ich hoffe, dass mir die italienischen Fans mehr Liebe als Hass entgegenbringen werden." Aber der ewig leuchtende Stern von Rossi war langsam am Verglühen, davor konnte auch Yamaha nicht die Augen verschließen - auch wenn sich Quartararo wünschte, Rossi könne bis 65 weiterfahren. Nun ist also bald Schluss für den Italiener, mit 42. Bei seinem letzten Heimrennen fuhr er auf den zehnten Platz, obwohl er am Ende des Feldes gestartet war. Die italienischen Fans jubelten dann beiden zu, dem Altmeister und dem jungen Weltmeister.

Was Quartararo beherrscht wie kaum anderer: die Gabe, sich schnell auf ein neues Motorrad einzulassen, es zu lesen. Was ihm zunächst fehlte, waren verlässliche Leistungen. Als Wunderkind kam er 2015 in die WM, die Altersregel wurde abgeschafft, damit konnte er mit 15 Jahren in der Moto3 aufs Motorrad steigen. Aber trotz anfänglicher Top-Platzierungen schien er das große Versprechen nicht einlösen zu können. In vier Jahren in den kleineren Serien Moto2 und Moto3 gelang ihm nur ein Sieg. Und trotzdem hievte Yamaha ihn in die Königsklasse. Im Kundenteam von Petronas war er anfangs von so viel Kraft überfordert: "Was zum Teufel mache ich auf diesem Motorrad?", fragte er sich. Solche Zweifel lassen sich nun als Weltmeister gelassen ausbreiten.

Denn Quartararo lieferte dann schnell: siebenmal Podium, sechsmal auf der Pole-Position, auf Anhieb der fünfte Platz im Gesamtklassement, das war in seinem ersten MotoGP-Jahr - ein Resultat, das er in dieser Saison noch toppte.

Rossis austrudelnde Karriere und ein angeschlagener Márquez: Es war der Moment, den alle im Feld nutzen wollten. Aber nur Quartararo fand die Balance aus Risiko und Tempo, in jedem Rennen sah er die Zielflagge, zehnmal stand er auf dem Podium, fünfmal ganz oben. Als erster französischer WM-Sieger beendete er das monopolio español in der MotoGP, die spanische Dominanz seit 2011. Es war vor allem ein monopolio von Márquez, dem sechsmaligen Weltmeister.

Und dieser Márquez will sein Monopol nun zurück: "Wir werden ihnen Schwierigkeiten machen nächstes Jahr", kündigte der Spanier an, und schob eine medizinische Banalität nach, die auch als Kampfansage gelesen werden kann: "Mit der Zeit wird alles besser." Der Satz scheint aber auch für Fabio Quartararo zu gelten.

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