Süddeutsche Zeitung

Irans Israel-Boykott:Ein Judoka wehrt sich

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Von Sebastian Fischer, Tokio/München

Es war der Kampf um den Einzug ins Finale bei den Judo-Weltmeisterschaften, aber der Iraner Saeid Mollaei durfte ihn nicht gewinnen. "Ich hätte heute Weltmeister sein können, aber das war nicht mein Schicksal", sagte er dem Weltverband IJF nach seiner Niederlage am vorigen Mittwoch in Tokio: "Ich konnte nicht kämpfen, wegen den Gesetzen meines Landes, und weil ich Angst vor den Konsequenzen für meine Familie und mich hatte." Das Interview hat der Verband fünf Tage später veröffentlicht, am Montag, als Mollaei bereits in Deutschland war, wo er offenbar Schutz sucht. Über dem Interview steht auf der IJF-Webseite: "Die wahre Geschichte eines Kampfs ums Leben."

Die Geschichte des Judokas Mollaei, 27, aus Teheran, 2018 Weltmeister in der Klasse bis 81 Kilogramm, handelt vom Konflikt zwischen Iran und Israel, der immer wieder auf den Bühnen des Sports ausgetragen wird, weil iranische Sportler nicht gegen Israelis antreten, da Iran Israel nicht als Staat anerkennt. Die Geschichte handelt aber auch von einem mutigen Sportler, der das nicht länger akzeptieren möchte. Inzwischen spielt sie in Deutschland, wo sie für ihn ein gutes Ende nehmen soll. Bekannt geworden war sie bereits im Februar dieses Jahres, beim Grand Slam in Paris.

Man kann sich das Video des Viertelfinalkampfs auf Youtube ansehen: Mit traurigem Gesicht betritt Mollaei die Matte, lässt sich nach 17 Sekunden von seinem Gegner, einem kaum bekannten Kasachen, auf den Rücken rollen, offensichtlich ohne Gegenwehr. Bei der Verbeugung nach dem Kampf weint er. In der nächsten Runde in Paris hätte der Israeli Sagi Muki gewartet. Am vorigen Mittwoch in Tokio wurde Muki Weltmeister. Mollaei verlor deshalb dort das Halbfinale, er verlor danach auch den Kampf um Bronze. "Das Nationale Olympische Komitee (NOK) des Iran und der Sportminister haben mir gesagt, dass ich mich dem Gesetz fügen muss", sagte er.

Judo-Weltverbandspräsident Vizer sichert Mollaei seine Unterstützung zu

Schon vor dem WM-Achtelfinale, so werden die Geschehnisse vom Weltverband geschildert, habe Mollaeis Trainer einen Anruf aus dem iranischen Sportministerium erhalten, den Judoka aus dem Wettbewerb zu nehmen. Mollaei sei in Tränen ausgebrochen. Doch er kämpfte zunächst weiter. Vor dem Halbfinale, nach weiteren Einschüchterungsversuchen am Telefon und durch einen Abgesandten der iranischen Botschaft, der sich angeblich illegal Zutritt zum Veranstaltungsgelände verschaffte, habe der Präsident des iranischen NOK, Reza Salehi, den Trainer angerufen, so gehen die Schilderungen weiter. Salehi habe gesagt, dass Sicherheitskräfte im Haus von Mollaeis Vater seien. Am Montag hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) um einen Bericht der IJF gebeten.

Erst im Mai hatte Irans NOK angekündigt, die olympische Charta und ihr Diskriminierungsverbot uneingeschränkt zu respektieren. Der Judo-Weltverbandspräsident Marius Vizer bekam diese Zusage als Brief übersandt, worauf der Verband am Montag noch mal hinwies. Gerade im Judo haben in der Vergangenheit oft Iraner Kämpfe mit Israelis boykottiert.

Der Österreicher Vizer sicherte Mollaei bereits während des Wettkampfs seine Unterstützung zu. Und er sagte, dass er ihm helfen werde, an den Olympischen Spielen 2020 teilzunehmen, womöglich unter einer anderen Flagge. Auf Twitter schrieb Vizer am Montag, sein Verband werde "gemäß unserer Regeln, der Leitgedanken des Judo und der olympischen Charta handeln" und ein Verfahren gegen Irans Verband einleiten. Noch während der WM, die am Sonntag endete, sagte er der japanischen Zeitung Asahi Shimbun, Mollaei sei nun in Deutschland. Der Judoka selbst gab dem in London ansässigen TV-Sender Iran International ein Interview, in dem er erklärte, dass er seit Jahren ein Visum für Deutschland habe. Noch im Juni kämpfte er in der Bundesliga für den KSV Esslingen. Er gewann seinen Kampf nach 47 Sekunden mit Ippon.

Und darum, ums Kämpfe gewinnen, soll es in Zukunft in Mollaeis Leben als Sportler auch wieder gehen, ohne Einschränkungen. "Ich bin ein Athlet, kein Politiker", sagt er.

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SZ vom 03.09.2019
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