Süddeutsche Zeitung

Baseball:Der Präsident mischt sich ein

Lesezeit: 3 min

Die Texas Rangers wollen ihr Stadion komplett füllen, die Toronto Blue Jays spielen in Florida, eine Partie wird wegen Covid-Infektionen abgesagt: Die US-Baseball-Saison beginnt bewegt - auch wegen Äußerungen von Joe Biden.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Wenn sich ein US-Präsident zu Vorgängen im Sport äußert, sorgt das meistens für Aufregung, egal wie der Präsident heißt. Donald Trump legte sich während der Weltmeisterschaft 2019 mit der Fußballspielerin Megan Rapinoe an, Footballprofis bezeichnete er als "Hurensöhne", Basketballmeister Golden State Warriors verweigerte er im Jahr 2017 die traditionelle Einladung ins Weiße Haus. Ton und Stoßrichtung mögen sich mittlerweile geändert haben, die Aufregung bleibt aber gleich, wenn sich das Staatsoberhaupt in Sachen Sport meldet. "Ich halte das für einen Fehler", sagte Trumps Nachfolger Joe Biden zuletzt: "Sie sollten auf Wissenschaftler und Experten hören."

Sie, das sind die Texas Rangers aus der Baseballliga MLB. Diese hatten erklärt, und wegen des Saisonstarts am 1. April hatte es wie ein Scherz geklungen, dass sie ihr Stadion vom ersten Heimspiel an bis auf den letzten der 40 300 Plätze befüllen wollen. Die erste Partie der Rangers am sogenannten Opening Day fand allerdings auswärts statt, 9155 Leute, 30 Prozent der Gesamtkapazität also, sahen den 14:10-Sieg der Kansas City Royals. Wer am ersten Spieltag durch die Baseball-Kanäle zappte, ahnte bereits, wie die Pandemie diese Saison prägen dürfte: Die Arizona Diamondbacks wollten 12 000 Zuschauer, rund 25 Prozent also, ins Stadion lassen, es kamen aber nur 8773 zum 7:8 gegen die San Diego Padres. 11 700 Leute bezeugten, wie die Milwaukee Brewers die Minnesota Twins des Berliners Max Kepler 6:5 schlugen; Kepler sammelte dabei immerhin drei Hits. Den 8:5-Sieg der Colorado Rockies gegen Titelverteidiger Los Angeles Dodgers sahen 20 570 Leute, das Stadion dort darf zu 50 Prozent gefüllt werden.

Zu den Heimspielen des kanadischen Klubs Toronto Blue Jays werden indes nicht mehr als 1275 Leute kommen, fürs Erste zumindest: Weil die Blue Jays aufgrund der Quarantäneregeln in Nordamerika - das Überqueren der Grenze zieht eine 14-tägige Isolation nach sich - ihre Heimspiele auf ihrem Trainingsgelände in Florida austragen. Es sind auch zwei Partien am ersten Spieltag abgesagt worden: jene der Boston Red Sox und der Baltimore Orioles wegen Regens sowie der New York Mets gegen die Washington Nationals - letztere, weil mindestens drei Nationals-Profis positiv auf das Virus getestet worden waren.

Das All-Star-Spiel soll verlegt werden. Joe Biden war "heftig" dafür

Die aktuelle Saison beginnt also, wie die vergangene geendet hatte. Zur Erinnerung: Beim letzten Spiel der World Series zwischen den Dodgers und den Tampa Bay Rays wurde Dodgers-Profi Justin Turner wegen eines positiven Tests kurz vor dem Ende vom Spielfeld geholt, bei der Siegerfeier danach war er aber wieder dabei - ohne Maske. Turner wurde nicht bestraft, er durfte vor dem Start der neuen Saison sogar das Opfer geben, das im entscheidenden Moment der Finalserie in einem Kämmerchen hocken musste: "Das war sehr schwer für mich", sagte er. Die MLB wackelte den Skandal mit Schulterzucken weg, die Botschaft: Kann schon mal passieren.

Der erste Spieltag beim Baseball, der gewöhnlich ein Feiertag der amerikanischen Popkultur ist, weil dann der Sommer anbrechen soll, er ist nun also politisch geworden. Die Gouverneure einiger US-Staaten haben einen brachialen Ehrgeiz bei den Lockerungen entwickelt. Greg Abbott etwa, Gouverneur von Texas, verordnete per Dekret die Abschaffung der Maskenpflicht und ordnete an, dass alle Einrichtungen zu 100 Prozent geöffnet und gefüllt sein dürfen - auch Baseballstadien. Die Rangers tun also, was juristisch erlaubt ist - der andere Klub im Bundesstaat, die Houston Astros, lässt nur 50 Prozent zu -, so wie die LA Dodgers tun, was in Kalifornien gestattet ist: Dort wurde die Kapazität in Einrichtungen wegen der relativ zügigen Impfungen und der niedrigen Inzidenzzahlen von 15 auf 25 Prozent geschraubt.

Der Sport wird so wieder einmal zum Spielball der Politik, weil sich die einen, wie Texas-Gouverneur Abbott, als furchtlose Fans profilieren wollen - und andere, wie Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom, als umsichtige Lenker. Es geht aber noch weiter: In Georgia haben sie gerade ein Gesetz verabschiedet, das den Einwohnern flächendeckenden Zugang zu Wahlen erschwert - ein Versuch der Republikaner, dort erfolgreicher zu sein. Biden sagte deshalb, dass er das Ansinnen, das für den 13. Juli in der Landeshauptstadt Atlanta angesetzte All-Star-Spiel in einen anderen Bundesstaat zu verlegen, "heftig" unterstütze. Die Basketballliga NBA hatte Vergleichbares 2017 in Charlotte getan, als North Carolina ein vermeintlich diskriminierendes Gesetz erlassen hatte. "Profisportler heutzutage verhalten sich unglaublich verantwortungsbewusst", sagte Biden nun, "ihre Stimmen werden gehört. Ich würde sie auf jeden Fall unterstützen." Am Freitag gab die MLB bekannt, dass sie das All-Star-Spiel tatsächlich von Atlanta weg verlegen will: "Ich habe entschieden, dass wir unsere Werte als Sport am besten dadurch zeigen, indem wir umziehen", sagte MLB-Chef Rob Manfred in einem Statement. Worüber im Profifußball monatelang debattiert wird (die WM 2022 findet immer noch in Katar statt), geht im US-Sport oft ganz schnell: "Wir werden bald einen neuen Gastgeber verkünden."

Es ist in jedem Fall ein interessantes Sittengemälde, das sich im US-Baseball gerade bietet: Die Rangers wollen ihr Stadion bis zum Bersten füllen, die Toronto Blue Jays spielen in Florida vor 1275 Menschen, die erste Partie ist wegen Covid-Infektionen am ersten Spieltag abgesagt. 162 Partien soll jedes Team in diesem Jahr wieder absolvieren, nach der auf 60 Spiele verkürzten Hauptrunde im Vorjahr, und dabei kreuz und quer durch die USA reisen, erst dann beginnen die Playoffs. Und der amtierende US-Präsident? Mischt sich noch immer aus politischen Gründen in den Sport ein. Auch das ist, nun ja: interessant.

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