Süddeutsche Zeitung

Motorsport:Mick Schumacher zeigt, dass er ein Sieger ist

Lesezeit: 3 min

Von Elmar Brümmer, Budapest

Wie er da in der Mitte steht in seinem roten Hemd vor den Kameras im Fahrerlager am Hungaroring, flankiert von RTL-Mann Florian König und dem ehemaligen Weltmeister Nico Rosberg, würde Mick Schumacher glatt als Ferrari-Pilot aus der Formel 1 durchgehen. Gut, dann würde er vermutlich nicht so strahlen. Doch tatsächlich ist da auch das Wappen mit dem springenden Pferdchen auf seiner Brust, allerdings noch mit dem Zusatz "Ferrari Driver Academy" versehen. Das ist die Fahrschule des Sportwagenherstellers und Mick Schumacher einer von zwei Handvoll Nachwuchshoffnungen der Italiener. Aber schon der prominenteste davon. Vor die Kameras bringt ihn am Sonntag sein erster Sieg in der Formel 2 - 16 Jahre, nachdem sein Vater an gleicher Stelle den Großen Preis von Ungarn gewonnen hat.

"Es stimmt wohl, dass der erste Sieg der schwerste ist"

Das muss erwähnt werden, weil es als Sohn eines Rekord-Weltmeisters nie ohne die Parallele geht. Auch deshalb war dieser Erfolg im 16. Rennen der Saison so wichtig. Mick Schumacher hat gezeigt, dass er auch ein Sieger ist. Die Fernsehleute freuen sich darüber mindestens so sehr wie er. Wieder einen Schumacher im Bild zu haben, das könnte die Geschichte wiederholen. Die Formel 1 war Anfang der Neunziger auch ein ziemlicher Beschleuniger für den Kölner Privatsender. Heute sind sie, nachdem sich Ferrari und Vettel in einer dauerhaften Krise befinden, darauf angewiesen, den Niederländer Max Verstappen zu adoptieren. Das wirkt gelegentlich etwas konstruiert. Ein Mick Schumacher in der Königsklasse könnte sie davon befreien.

Der Beweis dafür ist schon erbracht worden, zumindest im Kleinen, eine Woche vor Schumachers erstem Erfolg in der zweiten Liga des Motorsports, die im Rahmen der Formel 1 fährt und nach den gleichen Regularien funktioniert. Ausgerechnet in Hockenheim allerdings pausierte sie. Um den Veranstaltern im Badischen etwas Gutes zu tun, organisierten Ferrari und das Schumacher-Management zwei Showeinlagen. Samstags und sonntags durfte Mick Schumacher einen F 2004 fahren, das letzte Weltmeisterauto seines Vaters. Wer die Bilder nebeneinanderlegt von damals und heute, der erkennt, wie sehr Mick Schumacher in Gestik und Mimik seinem Vater Michael ähnelt, der Ende 2013 bei einem Skiunfall ein schweres Schädel-Hirntrauma erlitten hat. Hockenheim war Show, eine große. Budapest war großer Sport.

Die Formel 2 ist der Zwischenschritt zwischen den Nachwuchsklassen und dem Oberhaus. Charles Leclerc, der aufstrebende 21-Jährige bei Ferrari, gewann 2017 die Meisterschaft in der Formel 2. Heute hat in der Serie praktisch jedes Formel-1-Team einen Ableger am Start, für Ferrari übernimmt die Ausbildung der Prema-Rennstall aus Mailand. Mick Schumacher ist mit dem Team 2018 Formel-3-Europameister geworden. Beinahe logisch, dass er sich für die weitere Förderung bei Ferrari und gegen Mercedes entschieden hat.

In der Formel 2 fahren 612 PS starke Rennwagen, das ist schon etwas anderes als in der Formel 3, die bloß 240 PS hat. Einen noch größeren Unterschied machen die unberechenbaren Reifen aus, mit denen die Piloten der Formel 2 konfrontiert werden. Die Gummis auf Temperatur zu bringen, sie sich einzuteilen, das ist die Kunst. Die Prüfung macht ungefähr so viel Spaß wie Lateinvokabeln lernen. In den 15 Wertungsläufen vor dem Sprintrennen in Budapest hat Mick Schumacher viel gelernt und vergleichsweise wenig Erfolg gehabt - nicht einmal kam er aufs Podium. In der Formel 2 geht es zunächst einmal darum, den Rennfahrer in sich zu finden.

Mutter, Schwester und Oma bejubelten den Erfolg

Nobuharu Matsushita versucht das als Protegé von Honda schon im vierten Jahr. Der Japaner war es, der am Sonntag 28 Runden lang Druck auf Mick Schumacher ausgeübt hatte. Das Reglement sieht vor, dass die ersten Acht des längeren Rennens vom Samstag in umgekehrter Reihenfolge starten. Damit hatte Mick Schumacher die Pole-Position, und er gab sie nicht mehr her. Der Verfolger lobte: "Mick ist fantastisch gefahren, hat keinen Fehler gemacht, deshalb hatte ich keine Chance. Das ist für einen Rookie großartig." Schumacher sagte, recht abgeklärt: "Es stimmt wohl, dass der erste Sieg der schwerste ist." Mutter, Schwester und Oma bejubelten den Erfolg, sie könnten ruhig öfter kommen, befand der Sieger. Peinlich war ihm das nicht, er ist ein Familienmensch.

Acht Rennen stehen noch aus, Mick Schumacher liegt mit 45 Punkten auf Platz elf. Das sind 151 Zähler hinter dem Tabellenführer Nick de Vries und 62 hinter dem Führenden der Rookie-Wertung, seinem letztjährigen Teamkollegen Guan Yu Zhou. Im Vorjahr in der Formel 3 hatte Mick Schumacher sich in der ersten Saisonhälfte auch erst herantasten müssen, dann sicherte er sich mit einer Siegesserie den Titel. So ungefähr lautet auch jetzt wieder der ideale Plan. Zuerst geht es nach Spa, da fing das Hoch im vergangenen Jahr an. "Ich fühle mich wohl da", sagt er über eine der anspruchsvollsten Rennstrecken der Welt.

Es ist mangels freier Plätze fraglich, ob in diesem Jahr ein Formel-2-Pilot sportlich den Weg nach oben schafft. Für Schumacher hieße das: Ferrari hat theoretisch zwei Ausbildungsplätze, bei Alfa Romeo und bei Haas. Schumacher muss abwägen zwischen der schnellen Chance und der nötigen Geduld. Ein weiteres Ausbildungsjahr scheint wahrscheinlich zu sein. Der Druck wird mit jedem Erfolg größer, zumindest der von außen. Die Formel-1-Frage stellt er sich oft, noch öfter wird sie ihm gestellt. Am Hungaroring sagt er: "Das kann nur die Zeit zeigen. Ob es nächstes Jahr passiert oder in zwei oder drei Jahren, ich weiß es nicht." Dann versetzt er sich wieder in die Gegenwart: "Mensch, Rennsieger, das klingt großartig."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4554903
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 07.08.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.