Süddeutsche Zeitung

Matthias Sammer beim FC Bayern:"Es wird Härtefälle geben"

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Auszüge einer Regierungserklärung: Bayerns neuer Sportchef Matthias Sammer weiß, dass zurzeit alle immer etwas Großes von ihm wissen wollen, aber er weiß auch, dass er im Moment nichts Großes zu verkünden hat. Also appelliert er an die Demut der Profis, warnt vor Egoismen aller Art und ruft einen knackigen Konkurrenzkampf aus.

Christof Kneer

Es wäre natürlich viel schöner gewesen, wenn Matthias Sammer verraten hätte, dass er dem Trainer Jupp Heynckes künftig die Aufstellung diktiert. Ein Fest wäre es auch gewesen, wenn Mario Mandzukic angekündigt hätte, dass er Mario Gomez verdrängt, weil er eh viel besser ist als der. Anschließend hätte Sammer die Verpflichtung von Messi bekannt geben können, und zum Schluss hätte Mandzukic vielleicht noch über seine Zeit in Wolfsburg und über Trainer Felix Magath gelästert.

Pressekonferenzen könnten so einfach sein. Aber in Wirklichkeit sind sie leider furchtbar kompliziert. In Wirklichkeit sagte Matthias Sammer: "Ich bin überhaupt nicht bereit, mich über Spielsystem oder Taktik zu äußern." Der FC Bayern habe "einen erstklassigen Trainer, und damit das noch mal klar ist: Wir haben hier eine klare Aufgaben-Verteilung."

Und Mario Mandzukic sagte, er wolle in München "Teil einer erfolgreichen Mannschaft sein", und da könne es passieren, dass er "auch mal auf der Bank" sitze, aber auch dafür sei er bereit. Allerdings: Er habe sich bisher "noch überall durchgesetzt, und ich bin überzeugt, dass ich das auch bei Bayern schaffen werde".

Es gab auch kämpferische Momente bei jenem Termin, den der FC Bayern am Freitag zur Präsentation des neuen Stürmers Mario Mandzukic anberaumt hatte. Es gab Momente, in denen ein paar kleine Wahrheitsfenster aufgingen, hinter denen man jene Wirklichkeit erkennen konnte, die ansonsten selten öffentlich verhandelt wird. Einmal sagte Mandzukic, er sei ein Stürmer, "der gerne den Ball hat, der gerne mitspielt", er sei "ein anderer Typ Angreifer". Er meinte natürlich: als Mario Gomez.

Der Kroate Mandzukic, 26, ist der erste EM-Teilnehmer, der sich im Trainingsbetrieb des FC Bayern zurückgemeldet hat, an diesem Wochenende folgen der Niederländer Arjen Robben und der Ukrainer Anatoli Timoschtschuk, den Matthias Sammer schon kenntnisreich "Timo" nennt. Sie alle werden am Sonntag mit ins Trainingslager an den Gardasee aufbrechen, inklusive Matthias Sammer, den hier noch niemand "Mattes" nennt.

Sammer ist das, als was er eingekauft wurde, eine Respektsperson, und zu einer Respektsperson gehört es auch, kuriose Termine wie jenen am Freitag zu bewältigen. Sammer weiß, dass zurzeit alle immer etwas Großes von ihm wissen wollen, aber er weiß auch, dass er im Moment nichts Großes zu verkünden hat.

Sein Job am Freitag war es nur, als neuer Vorgesetzter einen neuen Spieler willkommen zu heißen, mit dessen Verpflichtung er im Grunde nichts zu tun hat, weil sie vor seiner Zeit dingfest gemacht wurde. "Informiert" sei er über den Transfer gewesen, räumte Sammer immerhin ein und ließ erkennen, dass ihm der Spielertyp Mandzukic ("internationales Format") zusagt.

Mit etwas Abstand werde er sich "in gewohnter Deutlichkeit zu gewissen Dingen äußern", tröstete Sammer am Freitag all jene, die feurige Reden, markige Ankündigungen oder fulminante Abrechnungen erhofft hatten. Zu erwarten ist, dass Sammer im Trainingscamp am Gardasee eine Art Regierungserklärung unters Volk bringen wird, aber das Gute an Matthias Sammer ist, dass er Matthias Sammer ist.

Er kann sich manchmal nicht zurückhalten. Manchmal fängt er ein Statement leise und defensiv an, und dann steigert er sich so sehr in seine Leidenschaft hinein, dass er lauter und offensiver wird.

So kam es, dass er am Ende doch ein paar Vorab-Auszüge aus seiner Regierungserklärung präsentierte. Sammer hat an die Demut der Profis appelliert, er hat vor Egoismen aller Art gewarnt und den neben ihm sitzenden Mandzukic zum Anlass genommen, einen knackigen Konkurrenzkampf auszurufen. Der FC Bayern sei "immer größer als der einzelne Spieler, auch als der Sportvorstand", sagte der Sportvorstand Sammer, "diesem Klub haben wir alle zu dienen".

Bei so einem großen Klub werde es "immer Härtefälle geben, und da erwarten wir, dass das künftig akzeptiert und alles zum Wohle des Vereins getan wird". Übersetzt heißt es: Ein Spieler, der sich über sein Reservistendasein beschwert, wird es mit einem Matthias Sammer zu tun bekommen, zu dem man in diesem Moment lieber nicht "Mattes" sagen sollte.

Dass sich auch der spanische Mittelfeldspieler Javier Martinez am bayerischen Konkurrenzkampf beteiligt, wird zunehmend unwahrscheinlicher; inzwischen soll auch der Spieler einen Verbleib in Bilbao favorisieren. "Wir werden in Ruhe prüfen, ob diese Meldung der hundertprozentigen Wahrheit entspricht", sagte Sammer und kündigte an, "bei entsprechenden Signalen des Spielers" könnten die Bayern "durchaus wieder aktiv werden".

Kurz darauf ging Matthias Sammer, grinsend, "ich habe schon viel mehr gesagt als ich eigentlich wollte", sagte er. Er sah aus, als freue er sich schon auf seine richtige Regierungserklärung.

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Quelle:
SZ vom 14.7.2012)
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