Süddeutsche Zeitung

Manipulations-Verdacht bei Basketball-WM:Gijón unter den Körben

Lesezeit: 3 min

Plötzlich feiert der Gegner ein Dunking-Festival: Australiens Basketballer verlieren mysteriös gegen Angola und gehen somit einem frühen Spiel gegen die USA aus dem Weg. Ein NBA-Profi erhebt schwere Vorwürfe.

Von Jonas Beckenkamp

Charles Barkley ist einer, der selten um eine Antwort verlegen ist - aber als es um Angola ging, musste selbst er passen. Der Großmäuligste unter den Dreamteamern von 1992 hatte bei den Olympischen Spielen keine Ahnung von dem Land im Südwesten Afrikas, also sagte er: "I don't know anything about Angola, but Angola is in trouble."

Er behielt recht: Die Amerikaner pflügten mit 116:48 über die Afrikaner hinweg - und vermutlich hat Barkley bis heute kein Proseminar in angolanischer Geschichte besucht. Er dürfte aber wissen: Angola ist unter den Riesen des Basketballsports ein echter Zwerg.

22 Jahre nach Olympia in Barcelona blickt die Basketballwelt erneut auf Angola, denn der Außenseiter schaffte bei der WM in Spanien (in Abwesenheit eines deutschen Teams) am Donnerstag einen mysteriösen 91:83-Sieg gegen Australien. Dabei sind die "Aussies" durchaus keine Zwergennation, bisher galten sie sogar als Turnier-Überraschung. Doch gegen Angola lief nach einer 42:29-Führung zur Pause plötzlich kaum noch etwas.

Wollte Australien nicht gewinnen?

Bälle gingen verloren, Würfe knallten gegen den Ring, die Australier versackten im kollektiven Schlummermodus. Mit NBA-Profi Aron Baynes und Euroleague-Sieger Joe Ingles hatte Trainer Andrej Lemanis seine beiden prägendsten Kräfte von vornherein geschont - zwei weitere Mitglieder aus der ersten fünf durften zudem nur sporadisch aufs Feld. Selbst mit wohlwollender Anerkennung für den Kampfgeist der Angolaner entstand der Eindruck, dass hier eine Mannschaft gar nicht gewinnen wollte.

Ein Hauch von Gijón wehte durch die Halle in Las Palmas - Erinnerungen an die vermeintliche Absprache zwischen deutschen und österreichischen Fußballern sind in Spanien ohnehin sehr lebendig. Im Basketball gestaltet sich der Hintergrund so: Australien, Slowenien, Litauen und Angola befinden sich gemeinsam in Gruppe D der WM-Vorrunde (neben Mexiko und Südkorea). Die vier Gruppenbesten rücken in die Zwischenrunde auf; wie es der Turnierbaum will, bekommen es die Teams aus Gruppe D dort mit Mannschaften aus Gruppe C zu tun. Dort tummeln sich die Amerikaner. Die USA mögen nicht mehr mit Jordan, Barkley oder Magic Johnson antreten, nahezu unbesiegbar sind sie trotzdem.

Bloß nicht die USA!

Wer bei der WM also "trouble" vermeiden will, sollte der NBA-Auswahl von Trainer Mike Krzyzewski möglichst lange aus dem Weg gehen. Das dachten sich wohl auch die Australier. Für sie galt es, die Gruppe als Erster oder Dritter abzuschließen, um den USA frühestens im Halbfinale zu begegnen. Wer Zweiter wird, bekommt schon im Viertelfinale ein Problem mit den Amerikanern - das könnte die Vorstellung der Australier durchaus beeinflusst haben, die mit drei Siegen bereits sicher weiter waren. Vor dem letzten Gruppenspiel stand Slowenien in der Tabelle auf Platz eins, dahinter "lauerte" Australien. Zwischen Slowenien und Litauen ging es derweil um den Gruppensieg.

Ein Sieg gegen Angola hätte Australien das verfrühte Aufeinandertreffen mit den USA beschert. Also geriet die zweite Halbzeit zu einer höchst fragwürdigen Angelegenheit mitsamt Dunking-Festival der Angolaner. Slowenien verlor schließlich mit 64:67 gegen Litauen, der Mannschaft um den NBA-Profi Goran Dragic droht nun im Viertelfinale das Dream Team, während die Australier sich über einen einfacheren Weg freuen.

Dragic zeigte sich erbost über diese Wendung und teilte der Welt über Twitter seine Verschwörungstheorie mit: "Basketball ist ein wunderschöner Sport, es gibt keinen Raum für Spielmanipulation wie heute bei Australien gegen Angola!!" twitterte der Spielmacher und forderte den Weltverband zum Handeln auf: "Die FIBA sollte sich darum kümmern!"

Auf Seiten der "Aussies" will man von solchen Anschuldigungen nichts wissen. Echte Profis aus Down Under hätten mit absichtlichem Verlieren nichts am Hut, so die entschiedene Antwort von Trainer Lemanis. "Als Australier kämpfen wir immer richtig", betonte der 45-Jährige mit lettischen Wurzeln: "Es wird immer Spekulationen geben, ich kann nicht kontrollieren, was Leute denken."

Klären lässt sich die Sache kaum, alle Beteiligten stehen dumm da: die Australier, die Slowenen, der Weltverband, auch die Angolaner. Ihnen brachte der Sieg gegen die "Aussies" nämlich nichts. Durch Mexikos Erfolg gegen Südkorea schieden sie unglücklich aus.

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