Süddeutsche Zeitung

City gegen United:Ein geradezu schmeichelhaftes 6:3

Lesezeit: 3 min

Im Manchester-Derby zeigt sich der unterschiedliche Entwicklungsstand der Rivalen: United steckt mitten im Prozess - City stößt dank Erling Haaland in neue Dimensionen vor.

Von Felix Haselsteiner

Da stand Erik ten Hag nun und konnte mit dem ganzen Lob nichts mehr anfangen. Manager of the Month war der Niederländer unter der Woche geworden, weil er mit Manchester United im September vier Spiele in Serie gewonnen und seine erste interne Krise überwunden hatte. Der monatlich vergebene Titel ist ein guter Indikator dafür, wie sich die Form entwickelt, und war insofern durchaus gerechtfertigt: So schlecht ten Hags Start bei United verlaufen war, so gut hatte er sich zuletzt gefangen - jedenfalls bis zum Sonntagnachmittag, an dem ihm und seiner Mannschaft zum ungünstigsten Zeitpunkt die Grenzen aufgezeigt wurden.

3:6 verlor Manchester United ein mitreißendes Stadtderby gegen den Rivalen City, das Ergebnis nach 90 Minuten las sich aber noch geradezu schmeichelhaft angesichts der erdrückenden Überlegenheit, die das Team von Pep Guardiola das gesamte Spiel über ausgeübt hatte. Drei Tore von Phil Foden und drei Tore von Erling Haaland sorgten für klare Verhältnisse, die so nicht alle erwartet hatten.

"Für mich war das überraschend", sagte ten Hag, der seine Elf mit scharfen Worten kritisierte. Wie ein Kartenhaus sei man zusammengefallen nach dem ersten Gegentor in der achten Minute, seine Mannschaft habe offenbar gar nicht erst an sich geglaubt: "Wenn du auf dem Feld nicht daran glaubst, wirst du keine Spiele gewinnen: Das ist inakzeptabel." Mut und Selbstvertrauen habe United zeigen wollen, stattdessen aber habe man "Haaland alleine gelassen".

Das wiederum ist derzeit tatsächlich eine gefährliche Idee. Der Norweger schoss in seinem achten Premier-League-Spiel seine Treffer Nummer zwölf, 13 und 14 und hat nun bereits genauso viele Hattricks erzielt wie Cristiano Ronaldo in seiner Karriere für United. "Ja, das ist unglaublich, seine Zahlen sind beängstigend", sagte Guardiola über Haaland, dem in England längst der Torrekord von Alan Shearer und Andy Cole (34 Treffer in einer Saison) zugetraut wird.

Manchester City mit neuer Herangehensweise in dieser Saison

"Wir fühlen alle diese Leidenschaft, den Wunsch, nach vorne zu spielen, anzugreifen. Heute war es einfach großartig, mehr muss man nicht sagen", sagte Haaland selbst nach dem Spiel, in dem einmal mehr deutlich wurde, dass City mit seinem neuen Stürmer in neue Dimensionen vorstoßen könnte - obwohl spielerisch und taktisch gar nicht alles besser ist. In der Offensive ist Guardiolas Mannschaft in dieser Saison eigentlich sogar etwas vorhersehbarer, da so gut wie jeder Angriff darauf ausgelegt ist, dass der letzte Pass bei Haaland ankommt. Gegen Mannschaften wie das auffällig desorientierte United allerdings gehen genau diese Pässe auf: Kevin De Bruynes brillantes Zuspiel vor dem 3:0, das der Stürmer im Rutschen verwandelte, war ein Paradebeispiel für die neue Herangehensweise in dieser Saison.

Die Strukturen der beiden Mannschaften legten recht deutlich dar, wie unterschiedlich weit City und United in ihren jeweiligen Entwicklungen sind. Ruhig und nahezu fehlerlos kombinierte Guardiolas Team aus der Viererkette heraus, hatte über weite Teile des Spiels mehr als 70 Prozent Ballbesitz und geriet erst nach zahlreichen Wechseln in der Schlussviertelstunde noch etwas unter Druck. Ten Hags Mannschaft hingegen hatte einerseits im Mittelfeld keinen Zugriff, andererseits aber auch keine Möglichkeit, das Spiel aufzubauen und zu eigenen Torchancen zu kommen. "Wir sind undiszipliniert gewesen", sagte ten Hag, "es gab Räume, in die wir hätten reinspielen können, aber dazu hatten wir nicht den Mut."

Der Fortschritt der vergangenen Wochen, in denen United gegen den FC Liverpool und gegen Tabellenführer Arsenal mit engagierten Leistungen zwei wichtige Spiele hatte gewinnen können, wirkt nach dem 3:6 nun wie aus einer anderen Zeit. Dementsprechend war auch die Stimmung: Bereits zur Halbzeit strömten die United-Anhänger aus dem Gästeblock nach Hause, auf der Bank tauschten Ronaldo und Casemiro betretene Blicke aus. Ten Hag sagte später, er habe Ronaldo nicht beim Stand von 0:4 oder 1:5 einwechseln wollen, "aus Respekt vor seiner großen Karriere".

Ist Guardiolas Mannschaft auf der Höhe ihres Schaffens angekommen?

Geholfen hätte Ronaldo United allerdings vermutlich auch nicht. Selbst Guardiolas neu formierte Defensive aus Nathan Aké und Manuel Akanji hatte kaum Probleme, die schnellen Antony, Marcus Rashford und Anthony Martial zu kontrollieren - Uniteds Tore, die das Ergebnis etwas humaner erscheinen ließen, fielen per Distanzschuss (Antony, 56. Minute), einer schwachen Abwehr von Torwart Ederson (Martial, 84.) und einem Elfmeter (Martial, 89.).

Ten Hag hatte zuletzt bewiesen, dass er mit Manchester United eine Mannschaft entwickelt hat, die Premier-League-Favoriten schlagen kann. Doch der "Prozess", von dem der Trainer vor und nach jedem Spiel spricht, ist eben noch längst nicht abgeschlossen - was wiederum besonders gegen eine Mannschaft wie Manchester City auffällt, die aktuell torgefährlicher denn je agiert und möglicherweise auf der Höhe ihres Schaffens angekommen ist. Zugrunde liegt dem allerdings viel Zeit, zahlreiche Transfers und ein jahrelanger Prozess, in dem Pep Guardiola bislang elf Mal Manager des Monats wurde. Möglicherweise folgt bald die zwölfte Auszeichnung.

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