Süddeutsche Zeitung

Champions-League-Ausschluss:City droht der Exodus der Besten

Lesezeit: 3 min

Von Javier Cáceres

Kaum, dass die Nachricht vom Bann des europäischen Fußballverbandes Uefa gegen Manchester City die Runde gemacht hatte, war die Branche von einer Frage elektrisiert, die der italienischen Gazzetta dello Sport am Samstag zum Aufmacher gereichte: "Pep, che fai?" - "Was machst du jetzt, Pep?"

Pep, das ist Josep Guardiola, einst Trainer des FC Barcelona und des FC Bayern. Seit 2016 ist der 49 Jahre alte Katalane bei Manchester City beschäftigt. Er hat seitdem jeweils zweimal die englische Liga, den Ligacup und den Supercup gewonnen sowie einmal den FA-Pokal. Doch den wichtigsten Auftrag des Eigners Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan aus Abu Dhabi - die Champions-League-Trophäe nach Manchester zu holen - hat er in bislang drei Anläufen mit den Himmelblauen, den Skyblues, nicht erfüllen können. Guardiolas Vertrag läuft bis 2021. Aber wenn die von der Uefa wegen "schwerwiegenden Verstößen" gegen das Financial Fair Play verhängte Sperre wirklich von 2020/21 an greifen sollte - würde Guardiola dann seinen Vertrag erfüllen? Jetzt, nachdem die Uefa die "Atombombe" gezündet hatte, wie es der englische Independent in martialischer Sprache erklärte?

"Che fai, Pep?" Gute Frage. Öffentlich hat sich Guardiola noch nicht geäußert. Am Wochenende hatte City spielfrei, seine Mannschaft muss erst am Mittwoch wieder antreten, um das wegen des Sturmtiefs Sabine abgesagte Spiel gegen West Ham nachzuholen. Personen, die Zugang zu Guardiola hatten, nachdem die Uefa am Freitagnachmittag den City-Verantwortlichen informell angekündigt hatte, die Strafe öffentlich zu machen, versichern zweierlei: dass Guardiolas Hals extrem angeschwollen sei - und dass er gewillt ist, sich demonstrativ zu ManCity zu bekennen. Man könne sogar darüber spekulieren, ob Guardiola seinen Vertrag verlängert, heißt es - unabhängig davon, dass er unlängst mit der ironischen Bemerkung aufhorchen ließ, dass die Klubbesitzer ihn wohl entlassen müssten, wenn er in diesem Mai nicht das Champions-League-Finale von Istanbul gewinnt. Ein erneuertes und belastbares Commitment Guardiolas wäre für Manchester City jedenfalls Gold wert - aus kurz- und mittelfristigen, aus sportlichen und politischen Gründen.

Kommende Woche steht das Achtelfinale gegen Real Madrid an

Zum einen gäbe dies der mutmaßlich arg verdutzten Mannschaft aktuell Sicherheit. Kommende Woche steht das Hinspiel im Achtelfinal-Schlager der Champions League gegen Real Madrid an. Zum anderen könnte ein Verbleib des Trainers verhindern, dass der Kader auseinanderfällt. Ob Guardiola eine Vertragsverlängerung, wenn es sie denn geben sollte, wirklich erfüllen würde, sei dahingestellt. Aber den handelnden Personen bei ManCity - dem Vorstandsvorsitzenden Ferran Soriano und dem Manager Txiki Begiristain - ist er persönlich so sehr verbunden, dass er sie wohl nicht im Stich lassen würde. Guardiola ist zudem ein Faktor für die Karriereplanung einiger seiner Profis, denn er gilt als inspirierender Coach, der Spieler besser machen kann. Nur: Reicht das?

Bei den Fußballmillionären von City dürfte allein der Gedanke, dass sie sich zwei Jahre lang die Champions-League-Hymne nur auf der Fernsehcouch anhören dürfen, körperliche Schmerzen verursachen. Dabei wird just diese Melodie von den Fans im Etihad-Stadion seit Jahren ausgepfiffen, aus Protest dagegen, dass die Uefa schon einmal eine Strafe gegen City ausgesprochen hatte. Dies ist - zusammen mit den umstrittenen Videoschiedsrichterentscheidungen aus dem verlorenen Viertelfinale der Vorsaison gegen Tottenham Hotspur - der beste Humus für Verschwörungstheorien, die in Manchester grassieren. Dort vermutet man, dass der Uefa ein Champions-League-Sieger Manchester City nicht gelegen käme.

Unabhängig davon wissen wertvolle Profis des Klubs wie die deutschen Nationalspieler Ilkay Gündogan (Vertrag bis 2023) und Leroy Sané (2021), dass sie auch anderswo sehr viel Geld verdienen und um die funkelndsten Trophäen des Fußballs mitspielen könnten. Gleiches gilt für den Argentinier Sergio Aguero (bis 2021), den Brasilianer Gabriel Jesus (2023), den Engländer Raheem Sterling (2022), den Portugiesen Bernardo Silva (2022) und erst recht für den Belgier Kevin De Bruyne (2023).

Gut möglich also, dass Leroy Sané nicht der einzige abwanderungswillige City-Akteur bleibt. Der DFB-Stürmer war im Sommer 2019 vom FC Bayern angebaggert worden und blieb womöglich nur wegen seiner schweren Knieverletzung in Manchester. Gewiss ist, dass nun eine ganze Armada an Agenten ausschwärmen wird, um Topspieler von City anderswo unterzubringen - zumal diese nun vergleichsweise billig, unter Umständen sogar ablösefrei zu haben wären. Das jedenfalls erklärte der Sportrechtler John Mehrzad von der Londoner Kanzlei Littleton Chamber. Seiner Ansicht nach könnten die Spieler wegen der Uefa-Sperre eine entschädigungslose Auflösung ihrer Arbeitsverträge erreichen, wenn sich nachweisen ließe, dass City durch unredliches Verhalten eine Vertragsgrundlage namens "Treu und Glauben" verletzt hat.

Umgekehrt wird es für City nun schwieriger, neue Stars anzulocken, das zeigt sich auch am besten Spieler der Welt: Erst vor wenigen Tagen wurde Guardiola auf das gerne kolportierte Gerücht angesprochen, der beim FC Barcelona zunehmend genervte Lionel Messi könnte bei City auf dem Einkaufszettel stehen. Das galt schon immer eher als Fantasie-Szenario. Doch nun ist so etwas sogar als Denkmodell vom Tisch.

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SZ vom 17.02.2020
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