Süddeutsche Zeitung

Fußball und Kunst:Abstiegskampf in Acryl

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Wie Herthas Rechtsverteidiger Lukas Klünter in der Corona-Quarantäne in die Fußstapfen berühmter Maler trat.

Von Javier Cáceres, Berlin

Es gibt nicht so viele Fußballer, die sich nach dem Ende ihrer Karriere den bildenden Künsten gewidmet hätten. Der Brasilianer Francisco Rebolo (Corinthians São Paulo) wurde ein bedeutender Landschaftsmaler; Eduardo Chillida (Real Sociedad San Sebastián) wurde ein Bildhauer von donnerndem Klang - eine Skulptur steht vorm Berliner Kanzleramt -, Domenico Maria Durante wurde nicht nur mit der Juve, sondern auch sonst ein Meister, und hierzulande gibt es natürlich Rudi Kargus, der vor allem als der HSV-Torwart der 1970er Jahre in Erinnerung geblieben ist. Kargus, 68, widmet sich seit knapp 20 Jahren der Malerei; er lernte beim Kunstdozenten Jens Hasenberg, der ihm Lehrer und Mentor geblieben ist.

Kargus hat Dutzende Ausstellungen hinter sich. Vor allem aber weiß er, welche Überwindung es braucht, um das zu tun, was Herthas schneller Rechtsverteidiger Lukas Klünter, 24, am Dienstag tat: einen Einblick ins eigene Werk zu geben. Sich einem Publikum zu öffnen. "Großartig!", ruft Kargus also ins Telefon, und erinnert sich daran, wie er sich damals genierte, weil er doch wusste, dass er als Fußballpromimaler wahrgenommen würde.

Klünter hatte in der ersten Corona-Quarantäne, im Frühjahr 2020, damit angefangen, sich mit der Malerei zu befassen. "Ich kann mich nicht 24 Stunden nur mit einem Thema beschäftigen. Man muss auch ein bisschen Abstand dazu finden. Dafür ist so eine Quarantäne sicher auch nicht schlecht", sagte Klünter. In Kargus' Ohren klang das interessant und auch bewundernswert: "Es war alles andere als ein Zufall, dass ich erst nach dem Ende der Karriere angefangen habe zu malen. Der Fußball hat mich vom Kopf her regelrecht aufgefressen. Da war kein Raum für nix anderes." Erst Jahre später, als Maler, habe er sein ganzes, durchaus traumhaftes Fußballerleben reflektiert und mit Öl auf Leinwand gebannt.

Lukas Klünter wiederum holte neulich, nachdem die Hertha wieder in Quarantäne musste, weil zu viele Spieler mit dem Coronavirus infiziert waren, die Staffelei hervor. "Das ist eine Sache, die mir Spaß macht, die mich runterbringt, so dass ich mal über andere Dinge nachdenken kann", sagt Klünter. Er vollendete zwei Bilder. Ob es passend zu Herthas Gesamtlage düster geworden sei, weil die Berliner doch gegen den Abstieg kämpften, wurde Klünter gefragt, und er verneinte. "Es ist sogar sehr bunt geworden." Dann stellte er zum Beweis ein Foto des Bildes zur Verfügung.

Die - zugegebenermaßen reflexartig - vorgetragene Bitte, sich zu Klünters' Œuvre zu äußern, lehnte Rudi Kargus übrigens ab. Noch vor Ansicht des Bildes - also nicht etwa aus irgendwie gearteter Rücksichtnahme. "Ich finde es einfach nur schön und toll, dass ein junger Mensch, ob Fußballer oder nicht, auf die Idee kommt, sich für Malerei zu interessieren", sagt Kargus, "da muss man doch nichts klassifizieren!"

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