Süddeutsche Zeitung

Leon Goretzka beim Confed Cup:"Alles zerbombt, was ihm vor die Füße kam"

Lesezeit: 3 min

Von Martin Schneider, Sotschi

So ganz nebenbei bestätigte Oliver Bierhoff in Sotschi, dass Leon Goretzka zum FC Bayern gehen wird. Nur wann, das wusste er noch nicht. "Mit Sicherheit ist das eine schwierige Entscheidung. Auf der anderen Seite ist es für ihn recht leicht, weil er so viel Qualität hat. Ob er jetzt oder nächstes Jahr geht, glaube ich, wird gar nicht so viel ändern. Das wird bei ihm vielleicht auch ein Bauchgefühl sein", sagte der Manager der deutschen Nationalmannschaft.

Das war nun kein Statement, um Eilmeldungen über die Smartphones der Republik zu jagen, seit Wochen ist es mehr oder weniger der Stand, dass der Schalker, dessen Vertrag ebendort 2018 endet, mit sich ringt. Aber Goretzka - und was er so tat -, war wieder Thema bei den beiden prominentesten Mannschaften der Republik, beim DFB und in München.

Durch zwei Tore in der sechsten und in der achten Minute brachte Goretzka Deutschland im Halbfinale des Confed Cups gegen Mexiko in Führung, das erste Tor leitete er selbst mit einem Pass auf Benjamin Henrichs ein, beim zweiten Tor startete er, wie so oft, mit einem langen Sprint durch die gegnerische Abwehr. Mit seinen fast 1,90 Metern wirkt er dabei wie ein Rammbock, der Anlauf nimmt. Mit Timo Werner hatte er dann einen Vorlagengeber, der seinen Pass genau timte. "Mir wurde der Ball zwei Mal sehr gut aufgelegt, da gehört nicht mehr viel zu, den reinzuschießen", sagte Goretzka vor den Fernsehkameras unangemessen bescheiden.

"Er hat vor allem zu Beginn grandios gespielt"

Später, nach dem 4:1-Sieg und dem Einzug ins Finale, sagte er an anderer Stelle, dass solche Situationen - Anlauf nehmen, Querpass antizipieren, den Ball volley schießen - natürlich zu seinem Repertoire gehören und er das auch trainiere. Auf Schalke hätte ihm Sead Kolasinac so den ein oder anderen Treffer vorgelegt. Er werde aber jetzt erst mal mit seinem Vater telefonieren, mit dem unterhalte er sich fast immer nach den Spielen. Über Taktik, was gut war, was schlecht war und über alles, was so drumherum passiert. "Er hat mich früher ja auch zum Training gefahren", sagte Goretzka und verschwand Richtung Bus.

Seine Mitspieler und sein Trainer waren hingegen euphorisch in der Bewertung seiner Leistung. Timo Werner, selbst mit einer starken Leistung, meinte, Goretzka gebühre heute ein Sonderlob. "In den ersten zehn Minuten hat er alles zerbombt, was ihm vor die Füße kam." Bundestrainer Joachim Löw meinte: "Er hat vor allem zu Beginn grandios gespielt. Seine Wege mit Tempo in die Tiefe sind seine große Stärke."

Goretzkas Gala zu Beginn lullte die Nationalmannschaft aber auch ein, es folgte eine gute halbe Stunde, in der das Team von Joachim Löw kaum noch in Ballbesitz war, sich im Abwehr-Modus einrichtete, viele Wege gehen musste, um den flinken Mexikanern im richtigen Moment auf den Füßen zu stehen. Diese Phase gefiel dem DFB-Team nicht, vom Bundestrainer bis zum Bundestorwart sprachen das auch alle an - aber wer will der Mannschaft nun daraus einen Vorwurf stricken? Zu keiner Zeit war der Einzug ins Finale ernsthaft in Gefahr. Die Deutung ist eher: Selbst mit einer dösigen halben Stunde zwischendurch gewinnen sie noch 4:1.

Es scheint überhaupt so, als könne Löw bei diesem Confed Cup machen, was er wollte - es funktioniert. Er präsentierte eine Aufstellung, die auf den ersten Blick so schien, als hätte er sie mit seinen Assistenten ausgewürfelt. Benjamin Henrichs, jüngster im Kader und bisher nur mit einer Einwechslung bedacht, gab ausgerechnet im Halbfinale sein Startelf-Debüt uns bereitete sofort die Führung vor. Joshua Kimmich wurde zum Innenverteidiger, die beiden bisherigen Abwehrchefs Shkodran Mustafi und Niklas Süle blieben gleich ganz draußen.

Und vorne probierte Löw die Kombination Lars Stindl und Timo Werner aus - die beiden harmonierten und stimmten ihre Laufwege aufeinander ab, als würden sie seit der B-Jugend zusammen spielen. Und wenn er einen wie Amin Younes einwechselt - dann macht der noch das 4:1.

Dieser Kader scheint wie ein Puzzle zu sein, in der jedes Teil zum anderen passt. Es gibt fünf Standard-Bausteine namens Marc-André ter Stegen, Joshua Kimmich, Jonas Hector, Sebastian Rudy und Julian Draxler. Bei den anderen kann Löw seiner Kreativität freien Lauf lassen, ohne dass er befürchten muss, dass irgendwas zusammenstürzt. Löw und alle Beteiligten erzählen ausdauernd, wie sich in diesen zwei Wochen aus dem tatsächlich zusammengewürfelten Haufen eine Mannschaft ergeben hat. Und auch ohne Experte in Gruppenpsychologie zu sein, erkennt der Beobachter auf dem Feld einen speziellen Zusammenhalt, einen Geist des Schwarzen Meeres, wenn man so will. Die einzige Mannschaft, die bisher noch zu stark für den Geist war, war Chile. Gegen die geht es nun im Finale in Sankt Petersburg.

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