Süddeutsche Zeitung

RB Leipzig in der Champions League:"Trainer, ich muss näher zum Tor"

Lesezeit: 3 min

Nach schlechtem Saisonstart hat RB Leipzig zu alter Stärke zurückgefunden. Das gilt auch für Christopher Nkunku, der beim 4:0 gegen Donezk mit einer eleganten Leistung auffällt. Timo Werner fällt für die WM aus.

Von Javier Cáceres, Warschau

Der französische Stürmer Christopher Nkunku, 24, hatte gerade seine Champions-League-Show beendet, da verriet Leipzigs Trainer Marco Rose ein Detail, das ihn als dialogbereiten Menschen ausweist.

Ein jeder wisse um die Qualitäten Nkunkus, sagte Rose am Mittwochabend nach dem souveränen und deutlichen 4:0-Sieg gegen Schachtar Donezk, der die Qualifikation für das Achtelfinale in der Königsklasse sicherstellte. Doch der Franzose habe ihm, Rose, "ein wenig auf die Sprünge geholfen", um diese Qualitäten auch richtig auszuschlachten.

Nachdem er im September den Job in seiner Heimatstadt angenommen und Domenico Tedesco ersetzt hatte, habe er Nkunku in den ersten Partien als neuer Leipzig-Coach auf die linke Angriffsseite gestellt. Danach sei der Franzose zu ihm gekommen, und gab ihm den Hinweis, wie er wieder die Form zurückerlange, mit der er in der Vorsaison zum besten Spieler der Liga geworden war. "Trainer, ich muss näher zum Tor. Ich fühle mich im Zentrum viel wohler", habe Nkunku gesagt, berichtete Rose am Mittwoch. "Das haben wir dann ausprobiert, und Christo hat im ersten Spiel auch, glaube ich, getroffen. Das macht dann auch den Trainer froh, den Rat des Spielers angenommen zu haben", sagte also Rose.

Froh durfte er auch sein. Nkunku spielte mit Anmut und Großzügigkeit. Dass es bei nur einer direkten Torvorlage blieb (zum zwischenzeitlichen 3:0 durch Dominik Szoboszlai, 62.), war angesichts der beauté seiner Pässe nachgerade schade. Die Umstellung trug beileibe nicht nur individuell, sondern auch kollektiv Früchte. Seit dem 1. Oktober hat Leipzig wettbewerbsübergreifend zehn Spiele ohne Niederlage aneinandergereiht, unter den acht Siegen ragte das 3:2 gegen den aktuellen Champions-League-Sieger Real Madrid heraus. Der Respekt in Europa, der nach dem mauen Saisonstart verloren gegangen zu sein schien, ist nun zurückerobert.

Schachtar Donezk ist dafür nicht der schlechteste Kronzeuge. Anfang September hatten die Leipziger ja vor allem gegen die Ukrainer ein schlimmes Bild abgegeben, sie kamen daheim mit 1:4 unter die Räder. Die Pleite führte anderntags zur Absetzung Tedescos als Coach. Seither sei Leipzig kaum noch wiederzuerkennen, sagte Schachtars Trainer Igor Jovicevic, als er im Pressesaal des Stadions von Legia Warschau, dem Königsklassen-Exil der Ukrainer, über das Spiel räsonierte: "Sie haben viel mehr Energie und Selbstvertrauen."

Timo Werners Verletzung erscheint zunächst harmloser als sie ist. Der Nationalspieler verpasst die WM

Das kann man wohl so sagen. Bei Nkunku geht der Glaube an den eigenen Erfolg so weit, dass er sich einen roten Luftballon in den Strumpf steckte und diesen aufblies, nachdem er das frühe 1:0 erzielt hatte. Er wollte seinem Sohn, der rote Ballons liebt, ein Tor widmen. Nkunku war offenbar klar, dass er treffen würde. Kein Wunder: In den vorangegangenen zehn Spielen hatte er schon sieben Tore erzielt. Insgesamt kommt Nkunku in 20 Pflichtspielen auf 14 Treffer.

Nkunkus Aktion kam nicht nur bei den Fotografen gut an. Sondern auch bei Rose. "Es ist doch schön, dass man als Papa bei seinem Tor an seine Familie denkt und so eine Botschaft senden kann. Das ist ein schöner Moment", urteilte Rose.

Weniger schön ist der Ausfall von Timo Werner. Der Nationalspieler war nach der 1:0-Führung durch Nkunku, dem die Treffer von André Silva, Dominik Szoboszlai sowie ein von Dani Olmo heraufbeschworenes Eigentor der Ukrainer folgten, ausgewechselt worden. Werner hatte einen Schlag aufs Sprunggelenk bekommen. Der ersten Erleichterung ("Das scheint nix Wildes zu sein", sagte Rose) folgte am Donnerstag die Ernüchterung: Werner fällt mit einer Syndesmose-Verletzung für die WM in Katar aus.

Emil Forsberg, der für Werner eingewechselt wurde, konnte das noch nicht wissen, als er am Mittwoch die Qualifikation fürs Achtelfinale kommentierte. "Es war ein Endspiel, das war nicht einfach, aber wir haben sehr erwachsen gespielt", sagte der Schwede - und schrieb den Formanstieg fast exklusiv dem Vorgesetzten zu. "Das liegt viel am Trainer, er pusht uns viel und nimmt uns jeden Tag mit." Nationalspieler David Raum lobte ebenfalls den Boss. Man habe gewusst, dass im Leipziger Kader viel Qualität stecke, Rose habe das "unter einen Hut bekommen", weil er den Teamgedanken in den Vordergrund stelle.

Rose selbst behagte es nicht, über seine eigene Rolle bei der Wiedergeburt der Leipziger zu sprechen. Er betonte lieber, dass er viele Elemente vorgefunden habe, die auch unter Tedesco gut funktioniert hatten: "Es war nicht alles schlecht, was vorher war." Unter anderem, und das ist nicht das Unwichtigste, war die Mannschaft intakt. "Wenn das nicht so gewesen wäre, hätten wir das Ruder auch nicht so schnell herumreißen können", sagte Rose.

Das Ende der Entwicklung ist freilich noch lange nicht in Sicht. "Wir müssen dranbleiben und wollen dranbleiben", sagte Rose. Der Anspruch sei kein geringerer als "ein absolutes Spitzenteam zu sein, das immer auf den Punkt da ist". Das wird in der Champions League in jedem Fall nötig sein. Denn bei der Achtelfinal-Auslosung am kommenden Montag warten der SSC Neapel, der FC Porto, Tottenham Hotspur, FC Chelsea, Manchester City und Benfica Lissabon als mögliche Gegner.

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