Süddeutsche Zeitung

Leichtathletik-WM in Moskau:Nebendarsteller Bolt überstrahlt die Goldmedaillen

Lesezeit: 3 min

Usain Bolt trabt bei der Leichtathletik-WM in Moskau locker zum Sieg im Vorlauf über 100 Meter. Die Schlagzeilen verdienen sich andere, tun sich aber schwer, dem jamaikanischen Ausnahmesprinter das Rampenlicht streitig zu machen. Und dessen Finale kommt erst noch.

Von Thomas Hahn, Moskau

Sapwaturrahman und Usain Bolt hatten was gemeinsam am ersten Abend der Leichtathletik-WM von Moskau. Nicht viel zwar, denn im Grunde verbindet den Sprinter Sapwaturrahman und den Sprinter Bolt natürlich gar nichts. Bolt, 26, kommt aus der Sprintgroßmacht Jamaika, Sapwaturrahman aus dem Sprint-Emtwicklungsland Indonesien.

Bolt hat eine 100-Meter-Bestzeit von 9,58 Sekunden, das ist Weltrekord, er ist sechsmaliger Olympiasieger, fünfmaliger Weltmeister und der leibhaftige PR-Erfolg des olympischen Kernsports. Sapwaturrahman, 19, hat eine 100-Meter-Bestzeit von 10,59, er ist einmaliger Junioren-WM-Halbfinalist und ein sympathischer Amateur.

Aber am Samstag sind Bolt und Sapwaturrahman im gleichen Vorlauf gestartet. Es war ein Erlebnis für Sapwaturrahman, für Bolt sowas wie Alltag. Und am Endergebnis hat man dann wieder die Unterschiede zwischen den beiden ablesen können. Bolt trabte zum Sieg in 10,07 Sekunden, Sapwaturrahman wurde Letzter in 10,89.

Es hat natürlich wieder einen ziemlichen Auftrieb gegeben um Usain Bolt. Nachdem er den Prolog zu seiner nächsten Gold-Kampagne mit Habfinale und Finale an diesem Sonntagabend gesund zu Ende gebracht hatte, drängelten sich die Berichterstatter um ihn, als habe er gerade die erste bemannte Mars-Landung bewerkstelligt. Aber selbst ein Usain Bolt kann einen locker heruntergespulten Vorlauf nicht zu einem Weltereignis hochjazzen. Im Grunde sagte er nur, dass alles gut sei.

Was er sich nun vornehme, nachdem die Erwartungen wieder Richtung Dreifach-Gold mit Siegen über 100 Meter, 200 Meter und Staffel sowie diversen Weltrekorden gehen? "Die Ziele erreichen, ich fühl mich gut." Die Kunststoffbahn im Luschniki kam ihm "ein bisschen anders als normale Bahnen" vor. Aber das war´s dann auch. Bolt verschwand in die Nacht.

Unter sportlichen Gesichtspunkten ist Usain Bolt eher ein Nebendarsteller dieses ersten WM-Tages gewesen. Andere verdienten sich die Schlagzeilen. Vor allem Mo Farah aus Großbritannien, der über 10.000 Meter das Gold gewann, das alle in seinem Heimatland von ihm erwartet hatten.

Es war ein Sieg, den er wieder nach einer sprintschnellen Schlussrunde erzielte, wie schon bei Olympia in London 2012, und der den Eindruck verstärkte, dass Farahs hochtechnologisch betriebenes Trainingsregime unter dem US-Coach Alberto Salazar derzeit den reinen Naturläufern aus Ostafrika überlegen ist.

Die Mitfavoriten aus Kenia und Äthiopien hätten ihm von Anfang an ein höheres Tempo aufdrängen müssen, um ihn zu bezwingen, aber das gelang ihnen nicht. Die Geschwindigkeiten waren moderat für einen wie Farah, so dass er am Ende genug Kraft hatte, einen langen Spurt anzuziehen. "Es war das perfekte Rennen für mich", sagte Farah und feierte diesen Erfolg außerdem als Revanche für das 10.000-Meter-Rennen bei der WM 2011 in Daegu, als ihn der Äthiopier Ibrahim Jeilan auf der Zielgerade überspurtet hatte. Diesmal war Jailan um 52 Hundertstelsekunden Zweiter mit 27:22,23 Minuten vor dem Kenianer Paul Kipngetich Tanui (27:22,61).

Immerhin, das erste Gold der WM ging an eine klassische Laufnation. Titelverteidigerin Edna Kiplagat aus Kenia setzte sich im Marathon in 2:25:44 Stunden vor der Italieniern Valeria Straneo (2:25:58) und der Japanerin Kayoko Fukushi (2:27:45) durch, in einem Rennen, das bei flirrender Nachmittagshitze stattfand und auf einer rettungslos langweiligen Wendepunktrunde am Ufer der Moskwa.

Und die Deutschen? Es gab nur zwei Medaillen-Entscheidungen am Samstag, deshalb war noch nicht viel zu gewinnen. Aber der Leverkusener Michael Schrader lag am Abend des ersten Tages im Zehnkampf nach fünf Disziplinen auf Platz drei mit 4427 Punkten hinter dem souveränen Weltrekordler Ashton Eaton (4502) und Gunnar Nixon (4493, beide USA).

Auch Europameister Pascal Behrenbruch, bekannt für seine starken zweiten Tage, hat als Siebter mit 4258 Punkten noch Chancen. Für Sonntagabend-Finals qualifizierten sich außerdem die Weitspringerin Sosthene Moguenara und die Diskuswerferin Nadine Müller.

Die deutschen 100-Meter-Sprinter schafften das nicht. Julian Reus (10,27) und Martin Keller (10,32) waren etwas zerknirscht nach ihrem Vorrunden-Aus. Sie sind in dieser Saison unter anderen Bedingungen schon sehr schnell gelaufen, aber im großen, schlecht besuchten Luschniki-Stadion mussten sie einsehen, dass sie eine WM noch ein bisschen überfordert. Usain Bolt ist weit weg. Aber den wollen sie sich ja ohnehin nicht als Beispiel nehmen.

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