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Langstreckenläufer Richard Ringer:"Ich bin ja der Schnellste gerade"

Lesezeit: 2 min

Von Joachim Mölter, Berlin

Richard Ringer ist eine Frohnatur, allzeit optimistisch, ein Mensch, der fast immer nur Gutes sieht, überall nur Chancen erkennt. Natürlich auch im 10 000-Meter-Finale der Leichtathletik-EM in Berlin. "Wenn das Rennen langsam wird am Anfang", was bei Meisterschaften in den meisten Fällen so ist, "habe ich hinten raus eigentlich einen guten Kick", sagt der Athlet vom VfB Friedrichshafen. Kick, so nennen die Läufer ihre Spurtfähigkeit am Ende, und die ist bei einem 5000-Meter-Spezialisten wie Ringer in der Regel tatsächlich gut ausgeprägt im Vergleich zu den Experten für die doppelt so lange Distanz. Falls die am Dienstagabend (20.20 Uhr/ZDF und Eurosport) aber gleich das Tempo anziehen und das Rennen schnell wird, "ja dann", sagt Ringer und legt eine Kunstpause ein: "Ich bin ja der Schnellste gerade."

In Europa ist in diesem Sommer tatsächlich niemand die 10 000 Meter schneller gelaufen als der 29 Jahre alte Athlet vom Bodensee: In 27:36,52 Minuten wurde er beim Europacup im Mai in London gestoppt. "Das war fast schon eine vorweggenommene EM", sagt Ringer angesichts des Starterfeldes. Dass er das seinerzeit beherrschte, hat ihn dazu gebracht, bei der EM nicht nur seine Spezialstrecke anzugehen, sondern einen Doppelstart zu wagen.

Nach den 10 000 Metern steht für Ringer am Samstagabend also noch die halb so lange Distanz auf dem Plan, und er geht auch diese Aufgabe zuversichtlich an. "Wenn du über 10 000 Meter eine Medaille holst oder sogar den Sieg, bist du so euphorisiert, dass du über 5000 auch noch was holen kannst", glaubt er: "Und wenn's über 10 000 nicht klappt, bist du so aggressiv, dass du über 5000 noch mehr gibst. Denn eine Medaille soll in jedem Fall her."

So wie vor zwei Jahren bei der EM in Amsterdam. Da schnappte er sich Bronze in einem der engsten 5000-Meter-Rennen der Geschichte. Die Spanier Ilias Fifa und Adel Mechaal und Ringer kamen gleichzeitig ins Ziel, in 13:40,85 Minuten, getrennt nur durch Tausendstelsekunden; der Norweger Henrik Ingebrigtsen folgte als Vierter nur eine Hundertstelsekunde dahinter.

Im Vergleich zum Olympiajahr hat Ringer einiges geändert. Er hat sich von seinem langjährigen Trainer Eckhardt Sperlich getrennt, im Guten, wie Ringer versichert: "Es ist nicht so, dass ich mich unwohl gefühlt habe. Es ging eher darum, was anderes auszuprobieren, mehr Flexibilität reinzubringen." Zeitliche vor allem, wie der Läufer erklärt, der sich nun selbst trainiert. Der Betriebswirt in Teilzeit hat sich von seinem Arbeitgeber für die EM-Saison freistellen lassen, er konnte seinen Tagesablauf neu strukturieren: "Die Regenerationsphasen haben sich verbessert."

Egal wie diese EM für ihn endet, Richard Ringer sieht immer noch Chancen für seine Zukunft. "Ich weiß, dass ich nächstes Jahr noch was drauf setzen kann", sagt er, da habe er die Philosophie seines bisherigen Trainers übernommen, der einen kontinuierlichen Aufbau predigt. "Es ist nicht so, dass ich jetzt alles rausballere, was ich habe", sagt Ringer: "Ich habe noch Spielraum."

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Quelle:
SZ vom 07.08.2018
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