Süddeutsche Zeitung

Bedrohte Sportarten:Wintermärchen nur noch auf Kunstschnee

Lesezeit: 2 min

Wintersport ohne Winter? Der Klimawandel zwingt auch den Sport zu Veränderungen. Manche Sportarten werden dabei auf der Strecke bleiben.

Kommentar von René Hofmann

Die geplanten Ski-Rennen der Frauen und der Männer am 5. und 6. Januar: verlegt, von Zagreb nach Santa Caterina in Italien. Der geplante Biathlon-Weltcup vom 7. bis 10. Januar in Oberhof: verlegt nach Ruhpolding. Die geplante Abfahrt der Frauen am 9. Januar in St. Anton: als Sprint-Abfahrt nach Altenmarkt Zauchensee verlegt, ebenso wie der einen Tag später geplante Super-G. Die geplanten Weltcup-Rennen der Skicrosser am selben Wochenende in Watles/Italien: witterungsbedingt komplett abgesagt.

Die nächsten Auftritte der Nordischen Kombinierer: unklar, nachdem die für den 2. und 3. Januar geplanten Veranstaltungen in Klingenthal gestrichen werden mussten und die geplanten Wettkämpfe am 9. und 10. Januar in Schonach ebenfalls bedrohlich wackeln. Die zehnte Auflage der Tour de Ski der Langläufer: aufwendig umgestaltet, weil in Oberstdorf von 4000 Kubikmetern Kunstschnee 1500 schon wieder geschmolzen sind. Fast stündlich werden gerade Sport-Veranstaltungen verlegt, verschoben oder gestrichen, weil das Wetter nicht mitspielt. In der Summe zeigen die Meldung eines: Der Wintersport - er hat ein Problem.

Wenn der Schnee ausbleibt, lässt sich das dank sogenannter Kanonen, die Wasser in die kalte Luft schießen, noch kaschieren. Bleibt aber der ganze Winter weg, zielt auch das technische Großgerät ins Leere. Der Klimawandel - er zwingt nicht nur die Gebiete, die bisher vor allem vom Skitourismus lebten, dazu, sich Gedanken zu machen, wie sie sich wandeln könnten. Die unberechenbaren Winter - sie werden auch den professionellen Sport verändern.

Der Trend geht weg von der Natur. Hin zu Ereignissen, die sich flugs auf kurzen weißen Schneebändern ausrichten lassen. Schlittschuhrennen auf Crushed Eis, Biathlon-Wettkämpfen in Fußball-Arenen, Slalom-Tänzen auf schmalen Pisten, die sich, falls gewünscht, auch auf Stahlrohrgerüsten mitten in der Stadt abstecken lassen. Das alles zunehmend unter Flutlicht - dann fällt nicht so auf, wie Grün die Landschaft ringsum daliegt. Nicht jede Disziplin lässt sich derart zusammenstauchen, modellieren und inszenieren. Manche - wie die Nordischen Kombinierer - werden wohl auf der Strecke bleiben. Der Verdrängungswettbewerb hat bereits begonnen.

Was passiert mit den Winterspielen?

Das größte Problem bringt die Entwicklung der Veranstaltung, bei der bisher alle vier Jahre die ganze Pracht des Wintertreibens an einem Ort gefeiert wurde: den Olympischen Winterspielen. Regionen, in denen sich eine solche Weltmesse des Wettstreits in Eis und Schnee auch sicher in Eis und Schnee planen lässt, gibt es nicht mehr viele. Pyeongchang in Südkorea, wo 2018 die nächsten Winterspiele stattfinden, gehört ebenso wenig dazu wie Peking, wo die Schneeballschlacht 2022 steigen soll.

Der Aufwand, der Welt für zwei Wochen ein Wintermärchen vorzugaukeln - er wird vermutlich weiter steigen. Und die Bereitschaft, das Großereignis auszurichten, deshalb wohl weiter sinken. Schon bei der letzten Gastgeber-Kür war dazu neben China nur Kasachstan mit Almaty bereit. Auch die sogenannten Winterspiele werden sich wandeln müssen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2799949
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 30.12.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.