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Kanu-WM in Dänemark:Das Stechpaddel als Zepter

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Conrad Scheibner wird Doppel-Weltmeister im Canadier und Nachfolger von Sebastian Brendel. Der nacholympische Titelkampf in Kopenhagen läutet den Generationenwechsel auf dem Wasser ein.

Von Barbara Klimke, Kopenhagen/München

Nach Olympia ist vor Olympia. Noch ehe die Wassersaison beendet ist und die Boote über den Winter eingemottet werden, haben die stets hochambitionierten Rennkanuten schon den neuen Kurs gesetzt. Eine Weltmeisterschaft stand im Herbst des alten Jahres noch an, sie markierte bereits den Beginn der nächsten Ära. Und so wurde ein frisches, junges Team des deutschen Verbandes DKV entsandt, die erschöpften Paddel-Recken der Tokio-Spiele durften eine Pause einlegen. Mit einer Ausnahme: Conrad Scheibner, 25, stach am Wochenende mit dem Stechpaddel in den Kopenhagener Bagsvaerd-See. Er hatte noch eine Rechnung mit der Weltelite offen.

Bei den Sommerspielen im August war Scheibner als Sechster im Einer-Canadier ins Ziel geglitten. Danach konnte er sich, wie er nüchtern schlussfolgerte, immerhin "als Sechstschnellster der Welt" fühlen, doch das empfand er weniger als eine Auszeichnung, eher als zusätzlichen Antrieb. Denn Scheibner, Kanute beim SC Berlin-Grünau, trainiert seit Jahren mit dem Brandenburger Kollegen Sebastian Brendel, einem dreimaligen Olympiasieger; und wer täglich den Goldstandard vor Augen hat, der kennt die eigene Güteklasse sehr genau. In Tokio, wo Brendel das A-Finale verpasste, fühlte sich Scheiber bei abrupt auffrischendem Seitenwind unter Wert geschlagen. Auch deshalb ist er nun im Herbst bei der nacholympischen WM aufs Ganze gegangen.

Erster über 1000 Meter wurde er am Samstag. Erster auch über die Hälfte der Distanz. Zweimal binnen 24 Stunden paddelte er der in Kopenhagen versammelten internationalen Konkurrenz davon, der Tscheche Martin Fuksa, 28, WM-Sieger 2015, wurde jeweils Zweiter, am Sonntag lag Fuksa über 500 Meter eine halbe Bootslänge zurück. Doppel-Weltmeister, "das ist verrückt", fand Scheibner, als er, nass von der Gischt, ungläubig und beseelt mit dem Paddel in der Hand vor der Kamera am Ufer stand. In Tokio sei er nicht zufrieden gewesen, bei der WM habe er zeigen wollen, wozu er im Stande ist: "Es hat glücklicherweise funktioniert."

Schon die ganze Saison über, so erzählte er dem Weltverband ICF, habe er die meisten Rennen gegen Sebastian Brendel, sein Idol, gewonnen, den olympischen Einzelwettbewerb in Tokio inklusive. Er sei dankbar für dieses Vorbild, sagte er: "Die Motivation, ihm nachzueifern, hat mich zu dem Athleten gemacht, der ich bin."

Von einem Generationswechsel ist nun die Rede, als habe Brendel, 33, der König der Canadier, das Stechpaddel wie ein Zepter bereits weitergereicht an den Mann, der als Weltmeister sein Nachfolger wurde. Aber mit Abdankungsgedanken trägt er sich noch nicht. Brendel, der in Tokio Olympiabronze im Zweier mit Tim Hecker gewonnen hatte, ging in Kopenhagen zum Abschluss einer langen Saison nur im nichtolympischen Wasser-Marathon über 5000 Meter ins Rennen und wurde mit lediglich 0,65 Sekunden Rückstand auf den Ungarn Adolf Balazs Zweiter.

Der Deutsche Kanu-Verband hatte bewusst entschieden, "viele Nachwuchssportler zur WM zu schicken, einerseits um den Olympiateilnehmern Erholung zu gönnen, aber auch aus strategischen Gründen", wie Präsident Thomas Konietzko am Sonntag erläuterte. Denn bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris werden die Renndistanzen geändert, für die Kajak- und Canadier-Duos sind dann 500-Meter-Wettbewerbe im Programm. Die junge Garde hat die Chance genutzt: Im Kajak-Zweier über 500 Meter wurden Tobias Pascal Schultz/Martin Hiller Zweite. Im Kajak-Einer kam Moritz Florstedt aus Magdeburg zudem als Dritter ins Ziel. Nicht nur der neue Doppel-Weltmeister Conrad Scheibner reiste deshalb mit der beglückenden Erkenntnis ab: Das Anpaddeln für Paris 2024 war ein Erfolg.

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