Süddeutsche Zeitung

Leichtathletik-Europameisterschaften:Goldene Rausschmeißer

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Speerwerfer Julian Weber und die Sprintstaffel der Frauen spannen einen goldenen Rahmen um den letzten Tag der Leichtathletik-Europameisterschaften.

Von Johannes Knuth, München

Das hatte man auch noch nicht erlebt im Münchner Olympiastadion, das die vergangenen sechseinhalb Tage getanzt und gejubelt hatte während dieser Leichtathletik-Europameisterschaften. Die deutsche Sprintstaffel war gerade mit großen Hoffnungen in das vorletzte Rennen der EM aufgebrochen - und dann ging schon die erste Stabübergabe schief, von Kevin Kranz auf Joshua Hartmann. Und über die rund 40 000 an diesem Abend legte sich ein Schleier der Ungläubigkeit.

Dass der Rahmen, den die deutschen Leichtathleten um den letzten EM-Abend spannten, dennoch golden glänzte, war zum einen der 4x100-Meter-Staffel der Frauen zu verdanken - und Speerwerfer Julian Weber. Vor allem für den 27-Jährigen vom USC Mainz war es eine große Genugtuung nach Jahren, in denen sein Talent oft von Verletzungen verdeckt wurde. In Tokio fehlten ihm 14 Zentimeter zu Olympia-Bronze, bei der WM in Eugene war er eine der wenigen deutschen Hoffnungen, wieder Platz vier. "Das hat mich doch mehr beeinflusst, als ich es gedacht hätte", sagte er zuletzt. Für München, versicherte er, habe er alles unternommen, dass dies sicher nicht mehr vorkommen werde.

Weber muss erst mal den Konter des Tschechen Jakub Vadlejch verkraften

Weber musste erst mal den Konter des Tschechen Jakub Vadlejch verkraften, 87,28 Meter, nicht schlecht an einem windstillen Abend. Aber Weber, das zeigte sich rasch, war diesmal in die etwas griffigere Verfassung geschlüpft. Der dritte Versuch war schon weit, aber knapp ungültig, der vierte saß, mit 87,66 Metern. Vadlejch entkorkte noch einmal einen donnernden letzten Wurf - ungültig. Dann hatte Weber endlich seine erste internationale Medaille, statt eines letzten Wurfs tanzte der neue Europameister zu den Venga Boys, endlich in der ersten Reihe.

Die Sprintstaffel der Männer übernahm kurz darauf den Stab: Hartmann, Kranz, Owen Ansah und Lucas Ansah-Peprah waren im Vorlauf bereits deutschen Rekord gelaufen, in 37,97 Sekunden. Aber wie das so ist mit dem Schwung der jungen Unbekümmerten - manchmal schießen sie übers Ziel hinaus. Die Briten gewannen mit Meisterschaftsrekord, 37,67 Sekunden, den Polen reichten 38,15 Sekunden für Bronze. Für die Deutschen? Blieb der an diesem Abend der schwache Trost, dass das Meiste noch vor ihnen liegt. Oder wie Ansah-Peprah sagte: "Es ist die Hölle."

Es passte insofern, dass es die Kolleginnen waren, die die 16. und letzte deutsche Medaille dieser EM in die Wertung trugen. Seit sieben Jahren bespielen sie in fast gleicher Besetzung die Bühnen, steckten im Vorlauf auch die Ausfälle von Gina Lückenkemper und Tatjana Pinto weg - Jessica Bianca-Wessolly und Lisa Mayer glitten so nahtlos ins Team, als hätten sie nie etwas anderes getan. Im Finale kam zumindest Lückenkemper zurück, zu Alexandra Burghardt, Mayer und Rebekka Haase - trotz einer Wunde, die Lückenkemper sich beim Hechtsprung zu ihrem 100-Meter-Gold gerissen hatte. Der Einsatz hatte ihr eine Feier in der Notaufnahme beschert. Jetzt? Halfen die Britinnen und Französinnen etwas mit. Platz eins, in 42,34 Sekunden, mündete vermutlich so oder so in eine etwas angemessenere Party.

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