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Klage von Carl Zeiss Jena:DFB darf Geldstrafen wegen störender Fans verhängen

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Müssen Fußballvereine weiterhin dafür aufkommen, wenn ihre Anhänger sich daneben benehmen? Der Bundesgerichtshof kommt nun zu einem eindeutigen Urteil.

Dieses Urteil könnte in Zukunft in der Fußballbranche noch oft zu Diskussionen führen, denn es manifestiert für so manchen Klub ein wiederkehrendes Dilemma: Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) darf Vereine weiterhin wegen des Verhaltens ihrer Anhänger und Zuschauer mit Geldstrafen belegen. Diese Praxis würde keine elementaren Grundsätze der Rechtsordnung verletzen, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am Donnerstag.

Die Begründung: Die Strafen seien als reine Präventivmaßnahme zu bewerten, dies sei auch ohne Verschulden der Vereine zulässig. Geklagt hatte der Regionalligist FC Carl Zeiss Jena, der die Frage grundsätzlich klären lassen wollte - und nun auch in letzter Instanz unterlag (Az. I ZB 54/20). Die Rechts- und Verfahrensordnung des DFB sieht vor, dass für Zwischenfälle im Stadionbereich die Vereine haften. So wurde zum Beispiel Dynamo Dresden mehrfach für das Fehlverhalten eigener Fans im Stadion zur Kasse gebeten. Insbesondere in Sachen Pyrotechnik mussten Klubs immer wieder Strafen bezahlen. Je nach Schwere des Vorfalls und Finanzkraft des Vereins kann es bei derartigen Vergehen um bis zu sechsstellige Summen gehen, das Geld fließt dann an Stiftungen und Projekte.

Die "Geldstrafe" stelle "keine strafähnliche Sanktion dar", vielmehr solle sie "den künftigen ordnungsgemäßen Spielbetrieb sichern", urteilte der BGH nun. Vereine sollten dadurch angehalten werden, "zukünftig alle Mittel einzusetzen, um mäßigend auf ihre Anhänger einzuwirken und so künftige Zuschauerausschreitungen zu verhindern". Der DFB sieht sich durch die BGH-Entscheidung "uneingeschränkt in seiner Auffassung bestätigt", teilte Interimspräsident Rainer Koch mit.

Es sei "abschließend und zweifelsfrei sichergestellt, dass die DFB-Rechtsorgane einerseits ihre Arbeit auf der Basis der Richtlinie für die Arbeit des DFB-Kontrollausschusses uneingeschränkt fortsetzen", so Koch, "und dass sie die Unterstützung und Mitwirkung der Vereine, die anders als der DFB den Zugang zu ihren Anhängern haben, zur Sicherung eines störungsfreien Spielbetriebs einfordern können."

Es geht auch um Pyrotechnik bei dem BGH-Urteil

Jena, damals noch in der dritten Liga, soll für Störungen von zwei Heimspielen und einer Auswärtspartie im Jahr 2018 insgesamt knapp 25 000 Euro zahlen - auch damals war es ums Zündeln in der Kurve gegangen. Bereits früher waren die Jenaer vor dem zuständigen Schiedsgericht in der Sache unterlegen. Mit der Entscheidung des BGH hat dieser Schiedsspruch nun Bestand.

Wie erwartet reagierte Jena mit Unverständnis auf die Bestätigung des Entscheids. "Wir müssen uns jetzt das Urteil ansehen und entscheiden, ob es wert ist, da noch mal das Bundesverfassungsgericht anzufragen", sagte Chris Förster, Geschäftsführer der Thüringer, am Donnerstag. "Unsere Argumentation war ja, dass wir für etwas bestraft werden, wofür wir nichts können. Und jetzt hat der BGH erklärt, dass es keine Strafe ist, sondern präventiven Charakter hat."

Sein Klub mache "alles", um solche Vorfälle zu verhindern, versicherte Förster. "Ad hoc fällt mir nicht ein, was wir noch an zusätzlichen Maßnahmen tun könnten." Die Geldstrafen des DFB seien eine "enorme finanzielle Belastung" und ein "großer wirtschaftlicher Schaden für uns und auch für viele kleine Vereine. Insofern empfinden wir es schon als Strafe und nicht als Prävention."

Ähnlich sieht die Sache der Dachverband für Fanhilfen, der von einem "fatalen Signal" für Fan-Rechte spricht. "Die vom DFB-Sportgericht verhängten Kollektivstrafen gegen Fans und Vereine widersprechen zutiefst dem Grundsatz der demokratischen Rechtsprechung", sagte Danny Graupner von den Fanhilfen in einer Stellungnahme. Er bezeichnete das Urteil als "Sippenhaft, wie wir sie nur aus dem Mittelalter kennen". Das Verhängen von Kollektivstrafen sei "unverhältnismäßig". Auslegungssache also. Mit dem Urteil aus Karlsruhe dürften somit weiterhin Fußballklubs zu kämpfen haben.

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