Süddeutsche Zeitung

Investoren im Fußball:Verzockt in Giesing

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Im internationalen Vergleich sind die Kapriolen, die bei Zweitligist 1860 München ablaufen, schlichtes Bauerntheater. Investor Hasan Ismaik scheint das Kleingedruckte der 50+1-Regel nicht gelesen zu haben. Wer am Ende die Rechnung für den Irrtum bezahlen muss, ist ungewiss.

Ein Kommentar von Thomas Kistner

Es gab schon lustigere Zeiten in der auch anekdotenreichen Liaison zwischen dem Fußball und seinen potenten Zahlmeistern aus dem Morgenland. Wie 1988, als der weltbeste Fußballer Diego Maradona eine Fünf-Millionen-Dollar-Offerte aus Saudi-Arabien erhielt. Dabei wollte Scheich Ahmed Faisal aus dem saudischen Königshaus diese Märchensumme nicht einmal für den Fußballer Maradona locker machen; der sollte, im Zenit seiner Schaffenskraft, aufhören und fortan das Training des Jugendteams des FC El Ahly Riad leiten.

So entspannt geht es nirgendwo mehr zu, seit die Geldgeber aus der Golf-Region selbst in die Vereine drängen; von Manchester City über Barcelona oder Málaga bis zu Paris Saint-Germain. Oder auch, für kleinkalibrigere Investoren, zum deutschen Zweitligisten 1860 München. Für diese Art Geldgeber sind Profiklubs heute oft nicht mal mehr ein Finanzvehikel, sondern Spielzeuge. Mancherorts lässt sich das durchaus in der Freizeittradition verstehen: Rassepferde, Rennkamele - die waren gestern.

Man sollte es vielleicht so sehen: Wer Geld hat und etwas von Fußball versteht, kauft sich keinen Klub. Umgekehrt sind die Investoren aus dem goldenen Osten weder Fußballkenner noch -liebhaber. Beides erfordert ja mehr als einen lässig übers Sakko geschwungenen Fanschal.

Die Scheichs in der großen Welt zwischen Paris und Manchester sind nicht zu stoppen; am wenigsten von jener Finanzkontrollwaffe, die sich Europas Fußballunion unter dem Namen Financial Fairplay geschaffen hat: Sie hat die Durchschlagskraft einer Wasserspritzpistole. Die Scheichs spielen Fußball, am intensivsten tut es die Herrscherfamilie in Katar, die sich die WM 2022 sicherte.

Daran gemessen sind die Kapriolen, die beim TSV 1860 im Stadtteil Giesing und seinem arabischen Investor ablaufen, schlichtes Bauerntheater. Dass Hasan Ismaik jetzt Millionen zurückhaben will, weist ja nicht auf akute Geldnot hin, sondern auf verletzte Eitelkeit. Selber schuld: Offenbar hat man dem Baulöwen seinerzeit eingeflüstert, mit der satten Gabe sei er fortan der Löwen-Boss von Giesing. Er hat nicht begriffen, auf welch ungastlichem Terrain er sich bewegt: Deutscher Fußball - das ist nicht England, Spanien oder Frankreich.

Hier gibt es eine Regel, die das schillernde Fußballgewerbe wie ein Bruchband zusammenhält: 50 plus eins. Sie sichert dem Klub die Entscheidungshoheit. Ismaik hat 49 Prozent. Zwei Prozent fehlen; das ist nicht viel, aber alles, was es braucht, um sich auf Giesings Höhen wie der Scheich von Katar zu fühlen. Er hat wohl das Kleingedruckte nicht gelesen. Nur: Für wen der Irrtum am Ende teurer wird, für den Klub oder den Möchtegern-Löwenbändiger, muss sich noch zeigen.

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Quelle:
SZ vom 24.04.2013
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