Süddeutsche Zeitung

Fifa:Infantino kämpft um seine Mega-Projekte

Lesezeit: 3 Min.

Von Thomas Kistner, München

Gianni Infantino war hochzufrieden. Geradezu glückselig gab sich der Fifa-Präsident, als er in Miami die Ergebnisse der Council-Sitzung vortrug. Nur: Worüber war er so glücklich? Drei Kernanliegen hatte er auf seiner präsidialen Agenda in die Sitzung getragen. Das erste ist bereits vom Tisch, das zweite kurz vorm Scheitern, das dritte birgt das Potenzial, den Fußball zu spalten. Doch Infantino strahlte in die Reporterrunde und erklärte: "Sie sehen einen glücklichen Präsidenten."

Es kommt wohl auf die Perspektive an. Der erste Punkt, der keine Rolle mehr spielt, ist die Einführung einer globalen Nations League. Das zweite, im Scheitern begriffene Projekt ist die Aufblähung der Fußball-WM 2022 in Katar von 32 auf 48 Teams - auch wenn der Fifa-Rat das Projekt in Miami zunächst abnickte. Infantino hatte am Freitag im Strandresort Ritz Carlton eine Machbarkeitsstudie präsentiert, die erwartungsgemäß grünes Licht signalisiert - und dabei sogar die Grunderkenntnis früherer Fifa-Studien ins Gegenteil verkehrte: Eine WM mit 48 Team verspreche erhöhte spielerische Qualität. Dabei wird eine derartige Mega-WM nicht nur auf die internationale Zweitklassigkeit von Usbekistan bis Honduras ausgeweitet - sie wird in stark manipulationsanfälligen Dreiergruppen gespielt. Denn im letzten der nur drei Gruppenspiele haben die jeweils beteiligten Kontrahenten beste Chancen, ein Resultat herbeizuführen, dass einem oder auch allen beiden hilft. Gijon 1982, der deutsch-österreichische Nichtangriffs-pakt zu Lasten Algeriens, lässt grüßen.

Der Plan ist eine WM mit 80 Spielen - aber die kann Katar kaum alleine ausrichten

Aber von solchen Kleinigkeiten lässt sich die Fifa offenbar nicht beirren. Nicht übersehen lässt sich dafür ein anderes Problem, neben allen logistischen Fragen, die ein jäh aufgepumptes 48er-Turnier mit sich brächte: Katar allein kann keine 80 WM-Spiele stemmen, es braucht zumindest einen Co-Veranstalter. Da bieten sich, eingedenk der Boykott-Lage am Golf, nur Kuwait und der Oman an. Aber wollen die wirklich eine WM mit dem Kern-Gastgeber Katar organisieren? Und so unter anderem den Zorn von Saudi-Arabien und den Vereinigten Emiraten auf sich ziehen, die Katar seit zwei Jahren boykottieren?

Der Beschluss zur Aufstockung müsste schon am 5. Juni beim Kongress in Paris fallen: Kurz darauf beginnt ja die Qualifikation, Infantino bleiben also noch 80 Tage, um eine Lösung zu finden. Auch bräuchte es in der aufgeheizten Krisenregion eine Art Übereinkunft aller am Boykott Beteiligten - eine Abrede, die stabil genug ist, um bis Ende 2022 zu halten, wenn die WM beginnt. So ist auch Herzensanliegen Nummer zwei des Präsidenten in Gefahr.

Bleibt Nummer drei: eine auf 24 Teilnehmer vergrößerte Klub-WM. Auch hier hat Infantino eigentlich wenig Anlass zur Freude. Dass sein Fifa-Gefolge im Council in Miami auch dieses Event bewilligte, ist zunächst ohne Bedeutung. Es gibt keine rechtliche Handhabe, wird der SZ aus Uefa-Kreisen bestätigt, dass Funktionäre aus Karibik und Südsee verfügen können, wann und wo Europas dynamische Fußball-Wirtschaftsbetriebe vorzuspielen haben. Die Erdteil-Verbände sind an die Fifa angebunden, und die zuständige Europa-Union Uefa hat das Projekt in Miami abgelehnt.

"Ich verstehe die Fifa mit der Reform der Klub-WM", sagt Karl-Heinz Rummenigge

Dass Infantino trotzdem so glücklich ist, könnte daran liegen, dass es zuletzt Anzeichen der Aufweichung im europäischen Lager gab. Real Madrid ließ laut der französischen Sportgazette L'Équipe mitteilen, man begrüße die Entscheidung und werde "mit Stolz an dieser großartigen Initiative teilnehmen". Dieselben Spanier hatten am Dienstag in Person von Pedro Lopez Jimenez noch den Brandbrief der Klub-Vereinigung ECA unterzeichnet, mit einem strikten Veto gegen jede neue Klub-WM. Und Lopez ist Vizepräsident der ECA.

Auch in Deutschland meldete sich einer zu Wort. "Ich verstehe die Fifa mit der Reform der Klub-WM", sagte Karl-Heinz Rummenigge der FAS. Da war die Tinte von Bayern-Justitiar Michael Gerlinger unter der ECA-Absage kaum trocken ("Wir sind uns einig, dass eine Überarbeitung der Klub-WM in Betracht gezogen gehört, doch muss jede Überarbeitung in ein geeignetes Spielkalender-Format ab 2024 passen"). Ein Unterschied mag allenfalls darin liegen, dass Rummenigge nicht ganz klar benennt, welche Klub-WM er meint: Infantinos Wunschgebilde, das schon 2021 Formen annehmen soll - oder ein Projekt, das unumstritten ist: ein neues Format für die Zeit nach 2024? Gerade die 232 Mitglieder-Klubs dürfen klare Worte von Rummenigge, ihrem Ehrenvorsitzenden, erwarten.

So könnte sich Infantinos Glückseligkeit aus der Gewissheit speisen, dass es schon bald genug Überläufer in sein Lager geben wird. Mit dem Miami-Beschluss hat er wohl auf die Gier der Großklubs gezielt. Die sitzen jetzt zwar am Hebel, aber er muss ja nur dafür sorgen, dass die Schecks groß genug sind, mit denen er sie ködert. Dass sich der neue Geldsegen am Ende nur über die üblichen Verdächtigen ergießen wird, über Klubs wie Real Madrid oder den FC Bayern also, die sich echte Chancen ausrechnen dürfen, zu den acht WM-Teilnehmern zu zählen - das geht in alter Solidaritäts-Rhetorik unter.

Abzuwarten bleibt, wie sich die ECA und ihr Vorsitzender Andrea Agnelli dazu stellen; der Chef von Juventus Turin soll wenig erfreut über die jähe Wendung sein. Was erst recht für die Uefa gilt: Die stünde düpiert da, falls sich herausstellt, dass sie über Monate für europäische Klubinteressen gekämpft hat, die es am Ende gar nicht gibt. Vielleicht also war Infantino in Miami so glücklich, weil er wusste, dass er Europa endlich in die Spaltung getrieben hat.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen für 0,99 € zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4371335
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.03.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.