Süddeutsche Zeitung

Fortsetzung im Fall Jatta:Geboren 1998 oder 1995?

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Die Staatsanwaltschaft wirft HSV-Stürmer Bakery Jatta vor, die Behörden getäuscht zu haben. Der Anwalt des Spielers will Einspruch einlegen - ihn überzeugt "das alles nicht".

Von Peter Burghardt, Hamburg

Am Sonntag stand Bakery Jatta wieder im Trikot des Hamburger SV auf dem Platz, Rückennummer 18. Seit Jahren gehört der schnelle Stürmer aus Gambia zu den besten Spielern des HSV, der diesmal 0:1 in Hannover verlor, aber ihn verfolgen weiterhin Zweifel an seiner Identität. Nun hat die Hamburger Staatsanwaltschaft Anklage erhoben: Sie wirft Jatta vor, in Wahrheit Bakary Daffeh zu sein und die Behörden getäuscht zu haben.

Am Montag machte die Meldung die Runde, nach jahrelangen Gerüchten und Ermittlungen. Demnach werden dem Fußballprofi Vergehen gegen das Aufenthaltsgesetz in vier Fällen und eine mittelbare Falschbeurkundung zur Last gelegt. Das Amtsgericht Altona muss entscheiden, ob eine Hauptverhandlung eröffnet wird. Vor Gericht stehen würde Jatta nach dem Jugendrecht, die mutmaßlichen Vergehen beziehen sich zum Teil auf seine Zeit als Heranwachsender.

Laut seiner Papiere ist Bakery Jatta 23 Jahre alt, geboren am 6. Juni 1998 in Gunjur. 2015 kam er im Status eines unbegleiteten Flüchtlings aus Italien nach Deutschland. Über Stationen in einer Bremer Erstaufnahme, Werders Nachwuchs und einer Jugendakademie landete er im Januar 2016 mit 17 Jahren zum Probetraining beim damaligen Bundesligisten HSV. Eine Geschichte wie ein Traum.

Bei den HSV-Fans ist Jatta ein Idol, auch der Lokalrivale St. Pauli zeigt Solidarität

Wenn man ihn in jenen Tagen traf, dann erzählte er, dass er in Afrika in einer Art Fußballschule gespielt habe, nie in einem Verein. Über seine Flucht sprach er nicht. Mit 18 bekam Jatta einen Vertrag beim HSV, er stieg mit dem HSV ab und ist eine der auffälligsten Figuren in Liga zwei. Aber hartnäckige Kritiker unterstellten ihm schnell, eigentlich Bakary Daffeh zu sein, geboren am 6. November 1995.

Dieser Daffeh wäre bei seiner Ankunft 20 gewesen. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt Jatta, mit falschen Angaben eine Duldung erwirkt und dann "teilweise unter Vorlage inzwischen beschaffter Ausweisdokumente aus Gambia" eine Aufenthaltserlaubnis sowie später einen Führerschein bekommen zu haben.

Jener Daffeh soll vorher bei Klubs in Gambia, Nigeria und Senegal gespielt und sich bei einem italienischen Drittligisten vorgestellt haben, danach verlor sich seine Spur. 2014 erzielte er das Tor zum 1:0-Sieg der gambischen U-20-Auswahl in Liberia, Qualifikation für den Afrika-Cup. Danach wurde Gambia ausgeschlossen, weil fünf Spieler mit falschen Altersangaben angetreten waren, nicht jedoch Daffeh.

"Mich überzeugt das alles nicht", sagt der Anwalt des Spielers

Vor allem Bild und Sport-Bild folgten wortreich dem Verdacht, dass es sich bei Jatta um Daffeh handele. Es gab auch eine anonyme Anzeige. Jatta nannte die Nachforschungen eine Hexenjagd, bei den Fans ist er ein Idol. Zwar legten HSV-Gegner Protest gegen Spielwertungen ein, zogen ihre Einsprüche aber zurück. Der Lokalrivale FC St. Pauli zeigt besondere Solidarität, sein Podcast "MillernTon" twitterte jetzt: Das Schauspiel von Bild und Staatsanwaltschaft sei unwürdig und unverhältnismäßig.

Jattas Anwalt Thomas Bliwier reagiert am Telefon professionell. Jatta habe seine Identität beim Bezirksamt eindeutig nachgewiesen, sagt der Jurist. Es habe keinen Raum für strafrechtliche Ermittlungen gegeben und gebe keinen hinreichenden Tatverdacht, das Verfahren muss seiner Ansicht nach eingestellt werden. Er wunderte sich über eine Hausdurchsuchung bei Jatta und über ein Gutachten der Uni Freiburg anhand von Videos und Fotos von Jatta/Daffeh. "Mich überzeugt das alles nicht", sagt Bliwier. Er werde Einspruch einlegen und sehe den Fall relativ gelassen.

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