Süddeutsche Zeitung

HSV Hamburg gewinnt die Champions League:"Das ist doch Wahnsinn"

Lesezeit: 3 min

Der HSV Hamburg ist nach einer mäßigen Saison im Final Four der Champions League kaum wiederzuerkennen. Das Team bezwingt erst den THW Kiel, im Finale dann den FC Barcelona - und holt den wichtigsten Titel im Klub-Handball. Das kann mancher Spieler kaum fassen.

Von Ulrich Hartmann, Köln

Der Sirtaki aus den Lautsprechern wurde in den letzten Spielunterbrechungen immer schneller und immer lauter und im selben Maße wuchs die Dramatik in einem denkwürdigen Champions-League-Endspiel. Spannender kann Handball nicht sein als am Sonntagabend in der Kölner Arena. Am Ende gewann der HSV Hamburg mit einem dramatischen 30:29 (25:25, 9:11)-Sieg nach Verlängerung gegen den Rekord-Champion FC Barcelona zum ersten Mal den wichtigsten europäischen Klubwettbewerb gewann.

Um 20.06 Uhr taumelten die Hamburger unter dem tosenden Jubel von knapp 20 000 Zuschauern über das Feld und konnten ihr Glück kaum fassen. "Wir haben eine durchwachsene Saison gespielt und sind heute Abend plötzlich Europas beste Mannschaft - das ist doch Wahnsinn", sagte Pascal Hens.

Seit die Endrunde der Champions League fest in der Kölner Arena ausgetragen wird, haben bei drei von vier Final-Four-Turnieren deutsche Teams triumphiert: zwei Mal Kiel und nun der HSV Hamburg, der nach Magdeburg und Kiel erst als dritter deutscher Klub diesen Wettbewerb gewann. Kein einziger Spieler des HSV hatte zuvor jemals in einem Champions-League-Finale gestanden.

Für den FC Barcelona, der sechs aktuelle spanische Weltmeister im Kader hat, war es derweil die zehnte Endspiel-Teilnahme in diesem Wettbewerb. Doch Statistiken interessierten die wie im Rausch aufspielenden Hamburger an diesem Wochenende nicht. Sechs Jahre nach dem Gewinn des Europapokals der Pokalsieger und zwei Jahre nach dem Gewinn der Meisterschaft gelang ihnen in Köln ihr wichtigster Titel seit der Etablierung des Handball-Standorts Hamburg vor elf Jahren.

"Unmenschlich", hatte Martin Heuberger bereits am Samstagabend die Hamburger Leistung beim Halbfinal-Sieg gegen den favorisierten THW Kiel genannt. Was klang wie ein Fall für eine Menschenrechts-Organisation, meinte der deutsche Männer-Bundestrainer als Kompliment dafür, dass den im Saisonverlauf allenfalls mittelmäßigen HSV-Handballern sechs unermüdliche Feldspieler und ein starker Torwart Johannes Bitter genügt hatten, um in der Vorschlussrunde den THW Kiel mit 39:33 niederzuringen.

So gut hatte der HSV die ganze Saison noch nicht gespielt. Die Sieben spielten wie im Rausch. In der Meisterschaft kurz vor Saisonschluss nur Fünfter und im Pokal im Halbfinale gescheitert, hatten die Hamburger es geschafft, im wichtigsten Spiel des Jahres ihre beste Leistung abzurufen. An seinem 25. Geburtstag war der Kroate Domagoj Duvnjak mit elf Toren der herausragende Akteur des Halbfinals gewesen.

Aber bloß 22 Stunden nach dem Ende des zehrenden Halbfinals begann bereits jenes Endspiel, in dem es für den HSV gegen Barcelona dann nicht mehr so leicht war, Tore zu erzielen. Nach 19 und 20 Hamburger Treffern in den beiden Halbzeiten gegen Kiel, gelangen den Hamburgern in der ersten Hälfte gegen Barcelona nur neun Treffer. Sie taten sich diesmal schwerer damit, Wurfchancen herauszuspielen. Das lag vor allem daran, dass die weit aufgerückten Katalanen besonders aggressiv verteidigten. Weil es kraftraubend ist, gegen solche Reihen anzurennen, kamen beim HSV diesmal mit Blazenko Lackovic im Rückraum und Kreisläufer Andreas Nilsson früher Alternativen aufs Feld. Die gestressten Shooter Domagoj Duvnjak und Pascal Hens erhielten zwischenzeitliche Verschnaufpausen, ebenso der strapazierte Igor Vori am Kreis. Zwei Tore betrug der Hamburger Rückstand zur Pause.

Nach dem Wechsel ging Hamburgs Rotation aber weiter. Auch Michael Kraus musste helfen und er lieferte eine unerwartet herausragende Halbzeit. Kraus hielt den HSV aussichtsreich im Spiel und half, einen 13:15-Rückstand binnen drei Minuten in die überhaupt erste Führung des Spiels umzudrehen - 16:15 nach 42 Minuten. Diese Führung bauten die Hamburger zwar bis sechs Minuten vor dem Ende auf 24:20 aus, doch die Spanier kamen zurück, glichen auf 25:25 aus und trieben die aufreibende Partie in eine zehnminütige Verlängerung.

In dieser Verlängerung brachen die Hamburger nicht ein, sondern krönten endgültig ihre Leistung. Vor allem Duvnjak, der sich erholt hatte und den HSV mit zwei schnellen Toren in Führung brachte. Zudem Torwart Bitter, der in den drei Schlussminuten dreimal Würfe des FC Barcelona parierte.

"Wir haben im Laufe der Saison ziemlich viel einstecken müssen", sagte Michael Kraus, "aber dieser Titel entschädigt für vieles." Trainer Martin Schwalb machte sich nach diesem Triumph gar Sorgen um die allgemeine Gunst: "Ich hoffe, alle erkennen, dass wir diesen Titel wirklich verdient gewonnen haben."

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SZ vom 03.06.2013
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