Süddeutsche Zeitung

Hoeneß und Rummenigge:"Überfällige Gespräche" beim FC Bayern

Lesezeit: 3 min

Von Claudio Catuogno, München

Wenn man sich noch mal für einen Moment an Carlo Ancelotti erinnert, diesen gutmütigen Mann, der in seinem ganzen Leben allenfalls dem einen oder anderen Kaugummi schweres Leid zugefügt hat, dann wirkt es umso erstaunlicher, was die Bayern jetzt von Ancelottis Nachfolger Jupp Heynckes erwarten. In erster Linie: Befriedung! Und zwar auf allen Ebenen.

Der Präsident Uli Hoeneß jedenfalls berichtete am Montag von diversen "Baustellen", die Heynckes nun hoffentlich "befrieden" werde. Und auch, wenn Hoeneß da bedauerlicherweise nicht ins Detail ging: Es hat sich ja herumgesprochen, dass insbesondere die Mannschaft zuletzt darunter litt, dass der Eierkuchen-Trainer Ancelotti seinen entspannten Führungsstil nicht mit der nötigen diplomatischen Klarheit verband. Was wiederum, ganz ohne Waffen, zu Verwundungen führte.

Die kommenden Monate sollen dem Klub "gut zu Gesicht stehen"

Und später auf der Pressekonferenz in der Bayern-Arena - Jupp Heynckes hatte gerade von seinem Schäferhund Cando erzählt, dem er jetzt im stolzen Alter von zwölf Jahren und vier Monaten ebenso noch mal einen Umzug vom Bauernhof in die Stadt zumutet wie seiner geliebten Katze -, später also nahm auch Karl-Heinz Rummenigge das Bild vom Frieden dankbar auf: "Wer Hund und Katze befriedet, ist auch in der Lage, den FC Bayern zu trainieren", sagte der Vorstandschef.

Der Friede sei mit euch, das ist jetzt beim FC Bayern offenbar noch wichtiger als Siege und Titel, wobei Heynckes sicher bewusst ist, dass es ohne Siege und Titel sowieso niemals Friede geben wird in diesem selbstgewissen Klub. Das ist jetzt Heynckes' Herausforderung. Eines allerdings hat er schon erreicht: Allein durch die Tatsache, dass er jetzt wieder der Trainer ist, hat er den vielleicht wichtigsten Friedensschluss schon herbeigeführt - den zwischen Hoeneß und Rummenigge.

Dass es atmosphärische Störungen gab in der Chefetage, das hatten Hoeneß und Rummenigge zuletzt immer weniger zu kaschieren vermocht. Manchmal fragte man sich nach der ein oder anderen Äußerung sogar, ob sie es überhaupt noch kaschieren wollten, so zielgerichtet widersprach der eine dem anderen und umgekehrt. Das Überraschende am Montag war nun: Auf eine entsprechende Frage hin haben die beiden ihre fortwährende Uneinigkeit weder dementiert noch kleingeredet. Sondern offen eingeräumt. "Sie haben sicherlich recht", sagte etwa Hoeneß, "dass man zu dem Schluss kommen könnte, dass es da Unebenheiten gegeben hat. Die hat's bei uns aber in den letzten zehn Jahren immer wieder gegeben, mit dem Unterschied, dass wir das in letzter Zeit zu sehr an die Öffentlichkeit getragen haben. Den Schuh zieh' ich mir an."

Im Rahmen der Heynckes- Verpflichtung hätten Rummenigge und er nun aber "das eine oder andere sehr intensive und wie ich glaube sagen zu dürfen auch sehr gute Gespräch geführt". Dinge, die in den letzten Monaten passiert seien, würden nun "nicht mehr passieren". Nicht nur im Traineramt werde man "jetzt ein neues Kapitel aufschlagen, sondern auch in unserer Zusammenarbeit".

Und weil selbst ein temporär kleinlauter Uli Hoeneß niemals ein Mann der kleinen Worte ist, vergaß er auch nicht zu versprechen, dass das, "was in den nächsten Wochen und Monaten passieren wird, dem FC Bayern gut zu Gesicht stehen" werde, und dass die neue Partnerschaft der Bosse "dem FC Bayern nur guttun" könne.

Rummenigge schloss sich dem vollinhaltlich an, mit einem ebenfalls bemerkenswerten Satz: "Wir haben gute, wichtige und ich glaube auch überfällige Gespräche geführt, auch zu diesen Themen."

Seit Monaten schon war das eine seltsame Außendarstellung gewesen beim FC Bayern. Rummenigge fand den Marketing-Trip in die asiatische Hitze im Sommer "einen vollen Erfolg", Hoeneß nannte ihn "grenzwertig". Rummenigge forderte, auch mal mit dem Meistertitel zufrieden zu sein, Hoeneß fand einen Titel pro Saison "ein bisschen wenig". Rummenigge kritisierte den Stürmer Robert Lewandowski für ein an der Bayern-Pressestelle vorbeigemogeltes Interview, Hoeneß las es mit Interesse. Rummenigge war zunächst nicht abgeneigt, den ehemaligen Kapitän Philipp Lahm mit weitreichenden Kompetenzen in die sportliche Leitung zu integrieren, Hoeneß bestand darauf, dass der Philipp erst mal irgendwo ein Praktikum macht. Und so weiter. Es konnte sogar vorkommen, dass der eine ein diskretes Gespräch mit einer potenziellen Führungskraft mit der Forderung verband, dass der andere davon erst mal nichts erfährt.

Das ist jetzt vorerst die wesentlichste Eigenschaft des 72-jährigen Trainers Jupp Heynckes: die als Befrieder. Er ist der einzige, den Hoeneß und Rummenigge dermaßen gut finden, dass sie darüber auch sonstige Differenzen beilegen. Jedenfalls, so lange sie sich nicht doch wieder uneins sind über jenen Trainer, der nun zum 1. Juli 2018 den Klub "besenrein" übernehmen soll, wie Hoeneß es formulierte.

Was das für ein Mann sein soll? Darüber wollte am Montag noch keiner etwas sagen. Außer: Heynckes. Er hoffe auf einen "jungen deutschen Trainer", sagte er - und Uli Hoeneß schmunzelte still. Er ist zwar als Präsident und Aufsichtsrat gar nicht in erster Linie zuständig für die anstehende Suche. Entscheiden wird er am Ende aber sowieso.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3701241
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 10.10.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.