Süddeutsche Zeitung

Hertha siegt im Abendspiel:Auf nachgerade mysteriöse Weise

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Berlin bezwingt Borussia Mönchengladbach 1:0 ohne spielerisch zu überzeugen. Der sehenswerte Seitfallzieher-Treffer von Marco Richter ist dennoch auch ein Geschenk an den vielkritisierten Trainer Pal Dardai.

Von Javier Cáceres

Pal Dardai wohnt in Nähe des Olympiastadions, und es kommt schon mal vor, dass man ihn dort beim Joggen erwischt. In den letzten Wochen, so jedenfalls erzählte es Dardai am Samstag vor dem Spiel gegen Borussia Mönchengladbach bei Sky, habe die körperliche Ertüchtigung auch der Seele gut getan. Er stand zuletzt ja immer wieder mal in der Diskussion; zuletzt berichtete die Zeitschrift Sport-Bild von einem Treffen des Managers Fredi Bobic mit dem ehemaligen Schalke-Trainer Domenico Tedesco, das Züge eines Sondierungsgespräches getragen haben muss. Was aber kurioser Weise dazu geführt hat, dass jeder Tag im Westend für Dardai zu einer Art Palmsonntag geworden ist.

"Ich kann mich nur beim Boulevard bedanken", rief Dardai bei Sky ins Mikrofon, "die Autos bleiben stehen!" Der Grund: Die Fahrer würden ihm "mehr Liebe denn je" entgegenbringen, die Stadt liege ihm quasi zu Füßen. Das dürfte sich in den kommenden Tagen exponentiell steigern. Denn gegen am Ende doch frappierend schwache Gladbacher holte Dardais Hertha dank einer ohne Abstriche disziplinierten und konzentrierten Leistung den vierten Saisonsieg - und zog durch einen 1:0-Sieg, der durch ein Tor von Marco Richter zustande kam (40.), in der Tabelle an Mönchengladbach vorbei.

"Oooooh, wie ist das schön...!", sangen die Hertha-Fans im Olympiastadion, das mit 25 000 Zuschauern ausverkauft war; Dardai war es eine einzige Labsal. "Das Olympiastadion lebt", freute sich der Ungar. Sein Gladbacher Kollege klang hingegen verschnupft: "Das ist einfach unglaublich ärgerlich, dass wir nicht einmal einen Punkt mitgenommen haben", sagte Adi Hütter nach der vierten Niederlage im fünften Auswärtsspiel der Saison.

Richter vollstreckt per Seitfallzieher

Dardai konnte sich über einen Sieg freuen, der auf nachgerade mysteriöse Weise zustande kam. Denn: Dem Spielverlauf nach zu urteilen konnte niemand ernsthaft damit rechnen, dass Hertha in Führung gehen würde - mit dem ersten Schuss aufs gegnerische Tor überhaupt. Hütter konnte sich nach den Spiel aus guten Gründen nicht daran erinnern, dass Hertha bis zum Treffer überhaupt nur in die Nähe des Gladbacher Strafraums gekommen wäre. Sie waren tatsächlich weit entfernt davon gewesen, die Gladbacher in Gefahr zu bringen. Dann aber stiftete Hertha - nicht zum ersten Mal in dieser Saison - durch einen weiten Einwurf von Linksverteidiger Marvin Plattenhardt Verwirrung im gegnerischen Strafraum. Diesmal verlängerte ihn Marco Richter per Kopf vors Tor; Krzysztof Piatek setzte zu einem Fallrückzieher an, der ihm zwar missriet, aber für ausreichend Konfusion sorgte. Denn: Der Ball flog zu Richter zurück, und dieser vollstreckte per Seitfallzieher. Technisch nicht ganz sauber, aber: effektiv. Damit wurde alles, was zuvor an optischer Gladbacher Überlegenheit zu sehen gewesen war, zu bloßer Makulatur.

Die Partie hatte erstens mit vielen Pfiffen für den Gladbacher Linksverteidiger Luca Netz begonnen; die Hertha-Fans verzeihen dem gebürtigen Berliner nicht, dass er im Sommer an den Niederrhein zog. Und zweitens: mit einem so genannten Aufreger. Kurz nach der ersten Chance für Gladbach - einem Kopfball von Nico Elvedi nach Netz-Flanke - war Joseph Scally im Strafraum zu Fall gekommen. Doch nach dem instinktiven Elfmeterpfiff von Schiedsrichter Benjamin Cortus griff der Videoschiedsrichter ein und sorgte zu Recht für die Annullierung der Strafe. Breel Embolo kam nach zwei Doppelpässen mit Lars Stindl im Strafraum aus spitzem Winkel zum Abschluss, doch er setzte den Ball übers Tor. Das war im Grunde alles, was Gladbach an zwingenden Chancen aufzuweisen hatte. Kurz vor der Pause wäre Hertha durch einen Kopfball des Innenverteidigers Marton Dardai fast noch zum 2:0 gekommen.

Die Gladbacher erwarten unter der Woche den FC Bayern

Zur Halbzeit mussten bei den Gladbachern sowohl Netz und Spielmacher Stindl in der Kabine bleiben, es kamen Alassane Plea und Florian Neuhaus. Damit war der Gast weitgehend seiner kreativen Momente beraubt - in einem mit insgesamt 32 Fouls unfassbar zerfahrenen Spiel.

Es gab für die Gladbacher letztlich nur noch einen Schuss ans Außennetz von Scally, eine Abwehraktion von Santiago Ascacibar, die fast im Hertha-Tor gelandet wäre - und ansonsten das große Nichts. Am Ende war nicht nur Hütter verärgert, sondern auch der Nationalspieler Jonas Hofmann: "Wenn man immer wieder unter die ersten Sechs möchte, geht es nicht ab, dass du so ein Tor fängst", sagte er mit Blick auf den Treffer von Richter. "Das geht einem, auf gut Deutsch gesagt, auf den Sack." Dann aber versuchte er, den Ärger rasch zu metabolisieren, mit Blick auf die nächste Aufgabe, die unter der Woche ansteht: In der zweiten Runde des DFB-Pokals trifft die Borussia auf den FC Bayern München: "Wir freuen uns riesig darauf. Mittwochabend bei Flutlicht. Ich glaube, es dürfen 48 000 kommen. Wir werden alles raushauen - und wollen sie schlagen", sagte Hofmann. Doch dafür bedarf es einer ungleich besseren Leistung als gegen Hertha.

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