Süddeutsche Zeitung

Handball:Zwischen Ansage und Anspruch

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Beim 30:27 gegen Großwallstadt deutet sich erstmals an, dass Absteiger Coburg mit seiner Rolle in der zweiten Handball-Bundesliga umzugehen weiß.

Von Sebastian Leisgang

Wahrscheinlich finden sie es in Coburg ziemlich gut, dass Ludwigshafen, Nordhorn-Lingen und Essen in der vergangenen Saison aus der Bundesliga abgestiegen sind. Beim HSC arbeiten zwar aufrechte, alles andere als schadenfrohe Leute, und vermutlich hätten es diese aufrechten und alles andere als schadenfrohen Leute genauso gut gefunden, wenn es Minden oder Balingen-Weilstetten erwischt hätte - trotzdem tritt man den Coburgern nicht zu nahe, wenn man ihnen unterstellt, dass sie sich freuen, nicht alleine zu sein. Das ist ja tatsächlich eine gute Sache für die Coburger: dass sie im Vorjahr nicht alleine abgestiegen sind, sondern drei andere Mannschaften auch noch.

Ein Absteiger steht immer unter Beobachtung. Die Öffentlichkeit verfolgt die Spiele besonders genau, die Fans erwarten, dass es wieder bergauf geht, und die Gegner eines Absteigers können sich vor jedem Spiel hinstellen und sagen: Da, schau hin, die haben letztes Jahr noch in der Bundesliga gespielt, ist doch klar, dass wir da Außenseiter sind.

Auch Ralf Bader hat in der vergangenen Woche solche Sätze gesagt, bevor er mit dem TV Großwallstadt am Sonntagnachmittag in Coburg angetreten ist und 27:30 verloren hat. Der Trainer des TVG hat zwar auch darauf hingewiesen, dass er seiner Mannschaft durchaus zutraue, in Coburg was zu reißen, die Kernbotschaft, die er vor dem Spiel loswerden wollte, war aber: Da, schau hin, wir sind Außenseiter.

Es ist ein üblicher Reflex, dass die Trainer bei den Umfragen vor der Saison immer mit dem Finger auf die Absteiger zeigen, wenn es darum geht, sich als Hellseher zu versuchen und vorherzusagen, wer am Ende ganz oben steht. Der Status als Favorit, die Erwartungen, der Druck, mit alledem muss man erstmal umgehen können. In Coburg dürften sie deshalb froh sein, dass sie ihr Schicksal dieses Jahr gleich mit drei Mannschaften teilen. Auch Ludwigshafen, Nordhorn-Lingen und Essen müssen ja damit fertigwerden, dass sie unter Beobachtung stehen, weil alle erwarten, dass sie liefern. Vor diesem Hintergrund sagt Coburgs Geschäftsführer Jan Gorr: "Es wird eine hammerharte Saison, weil du dir nichts leisten kannst. Die Zusammensetzung der Liga ist ganz brisant, das ist vor allem für ambitionierte Mannschaften sehr gefährlich."

"Wir haben es Großwallstadt einfach zu leicht gemacht, Tore zu erzielen", sagt Coburgs Geschäftsführer Gorr

Wenn die Augen auf einen gerichtet sind, besteht immer die Gefahr, dass Arme und Beine versagen. Auch Gorr weiß das. Seine Coburger blicken auf ein ziemlich verkorkstes Bundesligajahr zurück und finden sich jetzt in einer zweiten Liga wieder, in der es beinahe zwei Hände braucht, um all die ambitionierten Mannschaften abzuzählen. Der HSC ist zwar eine davon; weil es aber derart viele gibt, ist es in Gorrs Augen, wie er es ausdrückt, "schon eine Ansage, dass wir das Ziel ausgegeben haben, zu den besten Fünf zu gehören".

Dass das aber nicht nur eine Ansage ist, sondern auch der Anspruch sein sollte, das wurde am Sonntag bei der Coburger Saisoneröffnung gegen Großwallstadt klar. Wie souverän die Oberfranken auftraten, das war zum einen deshalb bemerkenswert, weil sie im Gegensatz zum TVG ohne Pokalspiel, wie Gorr sagt, einen "völligen Kaltstart" hinlegen mussten - und zum anderen, weil Großwallstadt ja nicht irgendein Zweitligist ist.

Der TVG hat die vergangene Saison als Sechster beendet, Torhüter Jan-Steffen Redwitz zählt zu den Besten seines Fachs, und die Torgefährlichkeit der Rückraumspieler Tom Jansen und Savvas Savvas ist schlichtweg außergewöhnlich. Savvas erzielte als bester Schütze des Tages 13 Treffer, zusammen warfen die beiden 20 der 27 Tore und ließen Gorr hinterher feststellen: "Wir müssen uns schon fragen, was wir besser machen können, und da ist mit Sicherheit die Deckungsleistung zu nennen. Wir haben es Großwallstadt einfach zu leicht gemacht, Tore zu erzielen."

Dass der Auftakt dennoch gelungen ist, lag vor allem an Torwart Jan Kulhanek und dem zehnmaligen Torschützen Florian Billek. Die beiden spielen schon seit Jahren in Coburg und sind in dieser Saison wieder mal Teil eines großen Plans. Mit Trainer Alois Mraz habe er "eine Mannschaft mit Perspektive zusammengestellt", sagt Gorr. Mit dieser Mannschaft wollen sie in Coburg wieder etwas aufbauen, etwas, das so nachhaltig und stabil ist, dass es auch dann konkurrenzfähig ist, wenn der HSC mal wieder als Aufsteiger und nicht als Absteiger in eine Saison geht.

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