Süddeutsche Zeitung

Deutschland bei der Handball-EM:Wieder ein Spiel gedreht

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Nach holprigem Beginn gewinnt Deutschland bei der Handball-EM mit 34:29 gegen Österreich - nun geht es gegen Polen um den Gruppensieg.

Von Ralf Tögel, Bratislava/München

Dass Alfred Gislason ein Trainer von großer Gelassenheit ist, hat er schon des Öfteren bewiesen. Was wohl auch mit dem Naturell des Isländers zu tun hat. Am Dienstag bei der Handball-EM in Bratislava hat er aber alle überrascht, als er beim 34:29-Sieg gegen Österreich nicht etwa die erwartete erfahrene Formation aufs Feld entsandte, sondern erneut den Nachwuchskräften und Debütanten sein Vertrauen schenkte. Dass der Corona-infizierte Julius Kühn von Sebastian Heymann ersetzt wird, war klar. Nicht aber, dass die Routiniers, die beim 33:29-Auftaktsieg gegen Belarus überzeugt hatten, so große Pausen erhielten.

Wie schon beim Auftaktsieg gegen Belarus kam die Auswahl von Bundestrainer Alfred Gislason erneut nicht gut ins Spiel, steigerte sich aber wiederum in der zweiten Halbzeit und feierte einen letztlich sicheren Sieg. Weil wenig später Belarus gegen Polen verlor, qualifizierte sich das deutsche Team vorzeitig für die Hauptrunde. Am Dienstag geht es gegen Polen um den Gruppensieg in der Vorrunde.

Vor allem Till Klimpke war nicht unbedingt im Tor zu erwarten gewesen. Der Turnier-Neuling hatte gegen Belarus einen schlechten Einstand erwischt und musste bereits nach zehn Minuten Routinier Andreas Wolff weichen. Dieses Mal aber war der 23-Jährige sofort auf dem Posten, zeigte reihenweise erstklassige Parade und war nach dem Triumph "ein bisschen überwältigt". Dennoch kam die deutsche Auswahl wiederum nur schwer in Schwung, was erneut an der wackeligen Abwehr in der ersten Halbzeit lag. "Das muss sich ändern, dass wir in jedem Spiel wegen einer löcherigen Abwehr so schlecht reinkommen", sagte Bundestrainer Gislason. Vor allem über den Kreis kamen die Österreicher immer wieder zu freien Würfen und erfolgreichen Abschlüssen.

Außerdem präsentierte sich der Gegner im Vergleich zur Niederlage gegen Polen deutlich verbessert. Österreichs slowenischer Trainer Ales Pajovic hatte eine schwache Abwehr moniert, mit sichtbarem Erfolg: Gegen Deutschland packten die Abwehrspieler deutlich engagierter zu. Zudem lief Torhüter Golub Doknic, der im reifen Alter von 39 Jahren sein erst fünftes Spiel für die österreichische Auswahl absolvierte, zu Höchstform auf. Für die Österreicher ging es bereits um alles, nur die ersten beiden Mannschaften jeder Vorrundengruppe werden in das Hauptfeld einziehen.

Wieder zeigt die deutsche Auswahl in der zweiten Halbzeit eine deutliche Leistungssteigerung

Im Angriff hatte Österreich schon im ersten Vergleich überzeugt, nun agierte vor allem Rückkehrer Nikola Bylik in starker Form. Der wurfgewaltige Rückraumspieler, der beim THW Kiel unter Vertrag steht und von Bundestrainer Gislason mit dem Prädikat "Weltklasse" versehen wurde, näherte sich seiner Bestform an und war mit sieben Treffern der erwartet starke Rückhalt. Noch erfolgreicher war Sebstian Frimmel, der beim ungarischen Champions-League-Klub Szeged spielt, mit neun Toren.

So ging die DHB-Auswahl wie schon im ersten Spiel mit einem Rückstand in die Pause, Österreich führte 16:15. Und wie gegen Belarus wusste sich die Mannschaft zu steigern. Besonders bemerkenswert war dabei, dass Gislason keineswegs auf die erfahrenen Kräften setzte. Der Isländer wechselte munter durch und gab nahezu allen Akteuren Einsatzzeit. Die wussten es ihm zu danken: Heymann ersetzte Kühn nicht nur dank seiner fünf Tore in beeindruckender Manier, Lukas Mertens bekam auf dem linken Flügel den Vorzug vor dem zuletzt so starken Marcel Schiller und traf sechsmal. Luca Witzke (drei Treffer) überzeugte als Spielmacher, Christoph Steinert agierte vorne wie hinten tadellos und steuerte fünf Treffer bei. Julian Köster, Simon Ernst und Djibril M'Bengue ackerten wirkungsvoll in der Defensive, Rechtsaußen Lukas Zerbe erzielte sein erstes EM-Tor.

Der erfolgreichste Werfer indes war einer der arrivierten Kräfte im deutschen Team: Timo Kastening, der auch zum Mann des Spiels gewählt wurde, musste gegen Belarus noch die meiste Zeit auf der Bank verbringen, gegen die Österreicher durfte er sich mit neun Treffern so richtig austoben.

Erneut war es die Breite im deutschen Kader, die letztendlich den Ausschlag gab, gegen Ende gingen den Österreichern die Kräfte aus. Der Gegner verfügt zwar über eine starke erste Sechs, der Rest des Kaders speist sich aber vornehmlich aus zweitklassigen Akteuren, viele Spieler sind in der zweiten Bundesliga engagiert. Letztlich fiel der 34:29-Erfolg einigermaßen standesgemäß aus, nun geht es gegen die Polen am Dienstag um den Gruppensieg.

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