Süddeutsche Zeitung

Handball:Ausgeschlafen nominiert

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Einfach die besten 17: Bundestrainer Alfred Gislason benennt ohne Gewissensbisse den Tokio-Kader - ein paar Härtefälle drohen aber noch.

Von Carsten Scheele

Zum Beispiel 2019, da war die Aufregung bei den deutschen Handballern riesig. Der Bundestrainer hieß Christian Prokop, und als dieser kurz vor der Heim-WM in Deutschland und Dänemark überraschend den Rechtsaußen Tobias Reichmann aus dem Kader beförderte, setzte sich Reichmann ins Flugzeug und sauste davon. Nach Orlando in die USA, noch vom Rollfeld schickte er damals Botschaften in die sozialen Medien. "Ich bin dann mal weg", schrieb Reichmann: "Wieso, weiß ich gar nicht genau...Ahhh, doch...Spontanurlaub." Dahinter ein Hashtag: "sorrynotsorry".

2021 heißt der Bundestrainer längst nicht mehr Prokop, sondern Alfred Gislason, und der hat vor dem Olympischen Turnier in Tokio am Dienstag einen 17 Mann starken Kader nominiert, bei dem Eitelkeiten der Marke Reichmann ausgeschlossen sein dürften. Gislason, 61, ist ein sehr erfahrener Mann, er hat einfach die besten 17 Handballer benannt, die derzeit in Deutschland fit herumlaufen. Vom Tor über die Außen, vom Rückraum bis zum Kreis - alles straight durchnominiert, von zuvor 28 Spielern runter auf 17. Sogar Reichmann ist dabei, der Stinkstiefel von 2019. Der Erlanger Sebastian Firnhaber und der Göppinger Sebastian Heymann, die bei der missratenen Weltmeisterschaft im Januar in Ägypten im Kader standen, sind die prominentesten Namen, die fehlen.

Gislason hatte es aber auch leichter als Prokop: Ihm wurden die schlimmsten Härtefälle im Voraus abgenommen. Gerne hätte der Isländer den Kreisläufer und Abwehrspezialisten Patrick Wiencek (THW Kiel) mitgenommen, der im Duo mit seinem Kollegen Hendrik Pekeler im Mittelblock gesetzt gewesen wäre. Ebenso den halbrechten Rückraumakteur Fabian Wiede (Füchse Berlin), einen ausgebufften Spieler, dem man in kritischen Situationen immer den Ball geben kann. Beide sagten jedoch ab, weil sie ihren eigenen Körpern nach der langen Saison die Olympiatauglichkeit absprachen: Bei Wiencek ist die verletzte Wade noch nicht ausgeheilt, bei Wiede schmerzt die Schulter. Als "herben Verlust" hatte Gislason beide Ausfälle bezeichnet.

Andererseits konnte Gislason so, ohne jede schlaflose Nacht, auf Halbrechts Kai Häfner (MT Melsungen) und Steffen Weinhold (THW Kiel) mitnehmen. Am Kreis setzt er zunächst auf drei Spieler: Hendrik Pekeler (THW Kiel), Johannes Golla (SG Flensburg-Handewitt) und Jannik Kohlbacher (Rhein-Neckar Löwen). Dieser Kader gilt nun zumindest für die letzten Testspiele vor Olympia: Vom 9. bis 11. Juli trifft das DHB-Team in Nürnberg auf Brasilien und Ägypten, ehe am 14. Juli der Flieger nach Japan geht.

Dann muss Gislason doch noch einmal ran: Bis zum Olympia-Auftakt wird er den 17er Kader auf offiziell 14 Spieler verkleinern, die zum schweren ersten Vorrundenspiel gegen Spanien antreten. Drei Spieler werden zu Mitreisenden degradiert, auf die Gislason aber während des Turniers zurückgreifen kann. Ein Torwart, ein Kreisläufer, vielleicht ein Abwehrspieler oder ein Rechtsaußen stehen dann zur Disposition - Härtefälle nicht mehr ausgeschlossen.

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