Süddeutsche Zeitung

Griechenland bei der Fußball-WM:Monument aus der Rehakles-Zeit

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In der griechischen Nationalelf tummeln sich immer noch ein paar EM-Helden von 2004. Sie prägen den alten, den unangenehmen Otto-Rehhagel-Stil. Bestes Beispiel ist der 37-jährige Kämpfer Karagounis - solche Spieler braucht die Elf, um doch noch ins WM-Achtelfinale einzuziehen.

Von Thomas Hummel, Natal

Otto Rehhagel hat bestimmt zugeschaut zu Hause in Deutschland. Zusammen mit seiner Frau auf dem Sofa. Guck mal, die alte Eiche Katsouranis spielt immer noch! Und da kommt der Bär Karagounis, den habe ich 2004 schon geliebt. Damals, als Otto und Kostas und Georgios zusammen das große Ding drehten. Mit Griechenland Europameister! Die Geburtsstunde des Rehakles.

Es sind immer noch ein paar dabei von 2004 bei den Griechen von heute. Sie prägen den alten Stil, den zähen, robusten, unangenehmen Otto-Stil. Gegen Kolumbien beim 0:3 hatten sie allesamt keine Chance, aber die Leichtgewichte aus Japan schafften sie sogar zu zehnt. Besser gesagt: erst recht zu zehnt. 0:0, immerhin ein Punkt.

Griechenland gehört bei dieser Weltmeisterschaft bislang zu den Mannschaften, die man nicht gerne gesehen hat. Wenig Inspiration, wenig schönes Spiel, dafür viel Zweikampf, viel Kraft. Sie haben noch kein Tor erzielt in Brasilien, was ihrer Tradition entspricht. Sie absolvierten in Natal das achte WM-Spiel in ihrer Fußball-Historie, zum siebten Mal blieben sie ohne Treffer. Und doch sind die Griechen noch nicht ausgeschieden.

"Japan hatte mehr Ballbesitz, wollte über Kurzpässe zum Erfolg kommen, aber wir haben das gut unterbunden", bilanzierte Trainer Fernando Santos im Estadio das Dunas. Okay, eigene Konter hätten seine Mannen gerade in Unterzahl kaum mehr zustande gebracht, dennoch sprach er von einer "brillanten" Leistung. Ein Trainer muss das sagen, wenn die Spieler lange in Unterzahl spielen und doch nicht verlieren. Auch wenn es in diesem Fall schamlos übertrieben war.

Ein Sieg gegen die Elfenbeinküste, und Griechenland könnte dennoch zum ersten Mal die Gruppenphase überstehen. Dazu müssten sie freilich mindestens einen Treffer schaffen. Doch die bislang einzigen beiden WM-Treffer gelangen vor vier Jahren gegen Nigeria, auch eine afrikanische Mannschaft. Vielleicht ist das ein gutes Omen.

Wer die Griechen schon abschreibt, der kennt sie nicht. Klar, sie haben Katsouranis verloren, ihren großen Anführer, der drei Stunden vor seinem 35. Geburtstag mit Gelb-Rot vom Platz ging. Für ihn kam allerdings der Ko-Anführer Karagounis und damit dieses unverwüstliche Element ins Spiel, das immer dann am besten ist, wenn niemand mehr mit ihm rechnet.

Karagounis ist so typisch griechisch, dass ein Karikaturist sich weigern würde, ihn als Landwirt von Rhodos zu zeichnen, so übertrieben kitschig wäre es. Er scheint sich mehr über den Platz zu schleppen, als dass er läuft, doch wird es brenzlig, rennt der 37-Jährige wie ein Junger. Und im Zweikampf wird er noch als Rentner jeden Champions-League-Sieger aus dem Weg räumen, so viel Kraft hat dieser Typ.

Gegen die flinken Japaner stellte sich Griechenland um den eigenen Strafraum, stoppte die Asiaten, indem es die Geschwindigkeit des Gegners durch geschicktes Verteidigen drosselte. Und indem es sie zu hohen Flanken zwang. Bei diesen Flanken standen vier stämmige, großgewachsene Südeuropäer im Strafraum gegen zwei, drei schmächtige, kleine Japaner, die an ihren Trikots zupften. Es war ein ungleiches Duell.

"Sie nutzten ihre physische Kraft und ihre Größe, um zu verteidigen", erkannte Japans Trainer Alberto Zaccheroni. Umso verblüffender war, dass er die Spielweise seiner Mannschaft nicht ändern konnte, und diese bis zum schrillen Schlusspfiff flankte und flankte. Es war so, als würde ein Tischtennisspieler versuchen, einen Sumo-Ringer umzuwerfen, anstatt ihm flink um die Beine zu huschen, bis dieser die Orientierung verliert.

"Wir müssen mutig sein"

Nun also gegen die Elfenbeinküste. Griechenland hat eigentlich keine Chance, die Afrikaner machen einen besseren Eindruck als die Japaner, sind körperlich stärker und werden bei Kopfbällen nicht so unterlegen sein. "Aber sie haben auch Probleme in manchen Bereichen", erklärte Trainer Santos, "wir müssen Mann gegen Mann spielen, müssen mehr Druck machen. Wir müssen mutig sein, so wie heute."

Für ein mutiges Spiel benötigt es in dieser Mannschaft seit vielen Jahren Georgios Karagounis, den 37-jährigen Muster-Griechen. Vor wem soll der schon Angst haben? Das wissen höchstens Otto und seiner Frau.

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