Süddeutsche Zeitung

Golf in Augusta:"Das bedeutet die Welt für mich"

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Der Augusta National Golf Club, einst eine Bastion der Vorurteile, setzt weiter auf Imagekorrektur. Das Masters-Turnier ist in politisch angespannten Zeiten um Versöhnung bemüht.

Von Gerald Kleffmann, Augusta/München

An diesem Donnerstag beginnt das Masters im Augusta National Golf Club. Wie bedeutsam das aufgrund der Pandemie in den Spätherbst verschobene Major ist, lässt sich an zwei Ereignissen bemessen, die beste Werbung für die Veranstaltung machten - aber mit dem Turnier sportlich nichts zu tun haben.

Zuerst erhielt eine Speisekarte höchste Aufmerksamkeit. Wie es Sitte ist, lud Dienstagabend der Vorjahressieger zum "Champions Dinner" ein, an dem Gewinner und Träger des Grünen Jacketts teilnehmen. Ben Hogan führte 1952 die Tradition ein, es gab schon sehr, nun ja, gewöhnungsbedürftige Dinge zu essen. 1989 ließ der Schotte Sandy Lyle Haggis servieren, Schafsinnereien. Bernhard Langer punktete sicher mehr, als er 1986 eine Runde Wiener Schnitzel spendierte. Tiger Woods ging diesmal auf Nummer sicher und setzte auf Steaks und Chicken Fajitas. Die Bilder, die den 15-maligen Major-Sieger strahlend mit seinen zwei Kindern am Tisch zeigten, füllten die Seiten vieler Golfmedien in den USA. Aber keine Aktion sorgte für mehr Furore als ein Juxschlag von Jon Rahm.

Der Spanier, der schon einmal die Nummer eins der Welt war, schoss zunächst am Montag auf einer Proberunde ein Hole-in-One. Mit nur einem Schlag also lochte er den Ball ein auf der vierten Bahn, einem 219 Meter langen Par-3. Das war schon gut. Am Dienstag dann hatte er seinen 26. Geburtstag - und es wurde noch besser. An Bahn 16, einem Par-3 über 155 Meter, wagten die trainierenden Spieler Schläge, bei denen der Ball mehrmals auf dem Wasser aufditscht und dann Richtung Grün fliegt. Rahm schlug, Wasser spritzte, und dann rollte die Kugel und rollte und rollte. Bis sie in einem Bogen ins Loch fiel. Dieser Zauberschlag sauste global quer durchs Internet. "Es wäre so unglaublich laut gewesen", sagte Rahm leicht melancholisch. Leider sind ja Zuschauer nicht zugelassen wegen der Pandemie. Rahm ist übrigens nicht der einzige, dem das Kunststück gelang. Martin Kaymer, diesmal nicht qualifiziert, ditschte 2012 ebenfalls den Ball an der 16. Bahn ins Loch. Damals brüllten die Patrons, die Fans, wie sie hier genannt werden.

Die vergangenen Tage haben in jedem Fall gezeigt, wie sehr das Masters immer noch das Masters ist. Trotz Corona scheint es zu gelingen, den Charakter, das Einmalige dieser Veranstaltung wieder in die Welt hinauszutragen. Auch wenn vieles anders sein wird, und damit ist nicht mal das abgesagte Par-3-Turnierchen gemeint, bei dem es stets so fröhlich zuging unter den Spielern und Angehörigen, dass man glatt vergaß, wie konservativ natürlich dieser Kosmos in Georgia immer noch ist. Die Jahreszeit ist eine andere, das Tageslicht wird kürzer sein, warm indes ist es auch jetzt noch mit Temperaturen bis zu 26 Grad. Das Setup, die Gestaltung des Kurses, bietet eine neue Optik. Die Stahl-Tribünen fehlen am Rande der Grüns und Abschlagstellen, es gibt keine Seile, die die Bahnen in normalen Zeiten lose einzäunen, damit die Zuschauer nicht weiter vordringen und alles platt machen; 40 000 marschierten sonst stets täglich mit wie eine Karawane. Die Bäume leuchten wiederum in schönsten Herbstfarben. Ansonsten, so erwartete es Adam Scott, der Sieger von 2013, rechne er mit ähnlichen Spielbedingungen, höchstens minimal langsamer könnten die immer noch höllisch schnellen Grüns sein.

Augustas Macht wird auch dieser Tage den Golfkosmos durchdringen

Den Augusta-Organisatoren muss man anrechnen, dass sie inzwischen den Spagat schaffen, Traditionen zu pflegen und modern zu operieren. Das Masters ist zwar der Teenager unter den Majors, weil das jüngste dieser vier wichtigsten Turniere mit Geburtsjahr 1934; die British Open fand als ältestes Major schon 1860 statt (in dem Jahr wurde ja auch ein seltsamer deutscher Fußballklub gegründet). Aber es ist unverwechselbar - weil das Masters das einzige Major ist, das stets am selben Ort ausgetragen wird. Zu viele Jahre freilich verteidigte sich der Augusta National Golf Club als elitäre weiße Männerbastion, die eine Schwarzen- und Frauen-feindliche Mitgliederpolitik verfolgte. Die frühere US-Außenministerin Condoleezza Rice war die erste Frau, die mit der Geschäfstfrau Darla Moore aufgenommen wurde - das war 2012, vor erst acht Jahren. Seitdem aber ist viel Positives geschehen.

Vor allem seit Fred Ripley, 68, 2017 als Chairman die Führung übernahm. Bahnbrechend führte der Club 2019 erstmals ein Frauenturnier durch, die Augusta National Woman's Amateur. Und auch diesmal fallen die Entscheider mit um Versöhnung bemühten und verantwortungsbewussten Maßnahmen auf, gerade in politisch angespannten Zeiten, wie sie in den USA herrschen. So wurde verkündet, ein College-Programm für Frauen zu fördern. Und Lee Elder wurde eingeladen, beim Masters 2021 als - auch so eine Tradition - Honorary Starter den ersten Abschlag zu machen. Der 86-Jährige war 1975 der erste Afro-Amerikaner, der beim Masters spielte. Elder erhielt damals Morddrohungen. Umso bewegter war er ob der Einladung: "Das bedeutet die Welt für mich." Elder ersetzt quasi Arnold Palmer, der 2016 starb, die anderen Honorary Starter sind nach wie vor Gary Player, 85, und Jack Nicklaus, 80; letzterer im Übrigen ein glühender Anhänger Donald Trumps.

Augustas Macht wird auch dieser Tage also den Golfkosmos durchdringen; der Mythos lebt trotz Pandemie uneingeschränkt weiter. Auch wenn nicht jeder sich gleich schwer von all den Traditionen beeindruckt zu zeigen scheint. "Das, was ich am besten am Masters finde", sagte der Weltranglisten-Erste Dustin Johnson aus den USA in seiner ihm eigenen schlichten Art, "das sind die Sandwiches."

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SZ vom 12.11.2020
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