Süddeutsche Zeitung

Galopprennen:Das Pferd als Anlageobjekt

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Die Inflation galoppiert - warum sein Geld also nicht gleich in Rennpferde investieren? Kann gutgehen, muss aber nicht, wie das Beispiel eines Liebhaber-Projekts zeigt.

Von Karoline Kipper, München

In einem Stall an der Rennbahn in München-Riem steht Niagaro, ein ruhiger Brauner. "Fast zu ruhig, er könnte im Rennen auch mal ein bisschen weniger nett sein", sagt Christian Sundermann und betrachtet das Pferd. Der Münchner Unternehmer, der in der Vergangenheit diverse Ämter im deutschen Galoppsport bekleidet hat, besitzt selbst einen kleinen Rennstall. Niagaro liegt ihm aber aus einem anderen Grund am Herzen, der Hengst soll quasi ein Trendsetter sein: Er gehört keiner Einzelperson, sondern einer Käufergemeinschaft namens "Liberty Racing", die Sundermann mit ins Leben gerufen hat.

20 Anteilseigner - viele davon absolute Neulinge in dem Sport - haben vor zwei Jahren zusammen 500 000 Euro investiert; damit kauften Sundermann und der Initiator der Aktion, Lars-Wilhelm Baumgarten, vier junge Rennpferde. Wer einen guten Galopper besitzen will, braucht vor allem eines: Geld. Zum Kaufpreis kommen noch die Kosten für Stall, Trainer, Tierarzt und so weiter hinzu: "Es geht uns nicht darum, Geld zu machen, sondern sportlich Erfolg zu haben", erklärt Lars-Wilhelm Baumgarten. Aber manchmal kommt eben das eine zum anderen.

Das wichtigste Ziel von Sundermann und Baumgarten war es, auch Galopp-Laien den Besitz von Rennpferden zu ermöglichen. Oder wenigstens: den Mitbesitz. Der Galoppsport in Deutschland hat schon bessere Zeiten erlebt, Rennbahnen kämpfen ums Überleben, Wettumsätze wandern ins Internet ab. Rennsportenthusiasten wie Sundermann und Baumgarten versuchen daher auch mit ungewöhnlichen Konzepten, den Sport am Leben zu erhalten. Als die Corona-Krise 2020 auch die Rennbahnen traf, erschufen sie das Projekt "Wetten, dass wir 100 Unterstützer finden?", das den Rennvereinen - trotz Geisterrennen ohne Publikum - einen festen Wettumsatz garantieren sollte.

Und beim neuesten Vorhaben der beiden, der Käufergemeinschaft, brach nun am ersten Sonntag im Juli auf der Rennbahn in Hamburg-Horn unerwarteter Jubel aus. Das Deutsche Derby ist das wichtigste Rennen des Landes und bringt am meisten Preisgeld ein. Auch "Assistent", eines der vier Pferde von Liberty Racing, hatte sich kurzfristig noch für das hochdotierte Rennen qualifiziert - und galoppierte dann relativ unerwartet auf Platz vier. Was den erfreuten Besitzern eine Siegprämie von 39 000 Euro bescherte. Finanziell ist es aber viel bedeutender, dass mit dem Erfolg von Assistent sein Marktwert auf eine halbe Million Euro gestiegen ist - damit wäre das komplette Investment der Anleger wieder drin.

Einem Rennpferd kann viel passieren, dann ist die Karriere vorbei

Baumgarten sagt, die einzige Chance, mit Rennpferden Geld zu verdienen, sei, sie mit Gewinn wieder zu verkaufen. Daher sollen am Ende des Jahres alle Pferde von Liberty Racing neue Besitzer finden. Galopppferde als Anlageobjekt - ist das womöglich ein Geheimtipp in Zeiten der, nun ja, galoppierenden Inflation? Baumgarten und Sundermann sprechen eher von einer "Hochrisikoinvestition", denn ein Erfolg wie der von Assistent ist schwer vorherzusagen - und einem Rennpferd kann auch viel passieren.

In einer anderen Box in Riem steht zum Beispiel der eigentliche Star des Stalls, "Quest the Moon". Er hat schon viel gewonnen, jetzt muss der Wallach allerdings mit einer Bandage ums Bein in seiner Box ausharren - Sehnenscheidenentzündung. Das Aus für seine Karriere als Galopprennpferd.

Liberty Racing ist also kein klassisches Investment, eher eine Langzeitwette der besonderen Art. Wer sich beteiligt, will vor allem Spaß am Sport haben: "Mir ging es darum, einen Anteil an einem Rennpferd zu haben, die Möglichkeit bekommt man ja sonst als Laie überhaupt nicht", sagt einer der Investoren. Und bei gleich vier Pferden im Portfolio kann man immerhin von ein bisschen Risikostreuung sprechen. Sundermann ist jedenfalls überzeugt, dass auch der Kauf des ein bisschen zu netten Niagaro im Münchner Stall ein Erfolg war: "Der wächst noch so ein Stück", sagt er und hält seine Hand gute zwei Zentimeter über den Rücken des dreijährigen Hengstes, "Niagaro hat seine besten Jahre noch vor sich." Topp, die Wette gilt.

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