Süddeutsche Zeitung

Fußball:Schiedsrichter übersieht Elfmetertor

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Von Alexander Mühlbach

Es ist noch gar nicht so lange her, da wurden Fußballspiele in letzter Instanz per Münzwurf entschieden. Bei den Olympischen Spielen 1968 zum Beispiel, als die israelische Nationalmannschaft 1:1 nach Verlängerung gegen Bulgarien spielte. Eine Münze entschied, dass die Israelis nach Hause fahren mussten. Ungerecht könnte man das nennen, gar tragisch. Deshalb wurde bei der Europameisterschaft 1976 eine letzte Instanz namens Elfmeterschießen eingeführt.

Dass dadurch nicht alle Ungerechtigkeit und vor allem Tragik aus dem Fußball verbannt wurde, können vor allem Engländer bestätigen. Oder aber Valencias A-Jugend. Die schied am Dienstagnachmittag nach Elfmeterschießen im Achtelfinale der Uefa Youth League, eine Art Champions League für Nachwuchsmannschaften, gegen den FC Chelsea aus. Grund: Der Schweizer Schiedsrichter Adrien Jaccotet erkannte ihr ein klares Tor im Elfmeterschießen ab. Valencia hat Protest eingelegt.

Valencias Alberto Gil schoss den Ball platziert in die untere linke Ecke, wo dieser mit vollem Umfang die Torlinie überquerte, letztlich aber von einer Metallstange des Gehäuses wieder zurück ins Feld prallte. Der Schiedsrichter stand etwa sieben Meter vom Tor entfernt. Er entschied, dass der Ball nicht im Tor war, er wähnte den Schuss am Innenpfosten. Letztlich verlor Valencia das Spiel mit 3:5.

Man könnte diesen Treffer in eine Reihe mit dem Wembley-Tor stellen, oder mit dem Schuss von Frank Lampard im WM-Achtelfinale 2010 zwischen England und Deutschland. Damals flog der Ball zuerst über Manuel Neuer hinweg an die Latte, überquerte dann die Torlinie - um dann wieder ins Feld zurückzuspringen. Aber das aberkannte Elfmetertor bei Chelsea ist anders. Es hat mehr mit dem "Phantomtor" von Stefan Kießling gemein, der im Oktober 2013 das Kunststück fertigbrachte, den Ball zunächst so am Pfosten vorbei zu köpfen, dass er durch das Außennetz schließlich doch hinter der Linie landete. Der Schiedsrichter gab den Treffer.

Der Elfmeter wäre drin gewesen, wenn Chelsea das richtige Tor aufgestellt hätte

Das Material damals war fehlerhaft. So, wie bei Valencias vermeintlichem Elfmetertor das Material fehlerhaft war. Denn das Torgehäuse war für das Spiel völlig ungeeignet. Bei Champions-League-Spielen sind die Tore fest im Boden verankert und brauchen keine Metallstangen, die ihnen Stabilität verleihen. Hätte der FC Chelsea auf heimischem Platz ein richtiges Tor und kein Trainingsgehäuse aufgestellt, wäre der Ball beim entscheidenden Elfmeter sicher hinter der Linie geblieben.

So aber begannen die Diskussionen. Valencias Spieler und Betreuer bearbeiteten minutenlang den Schweizer Schiedsrichter, der seine Entscheidung aber nicht zurücknahm. Das überraschte selbst die Verantwortlichen des FC Chelsea. Der Verein erklärte später auf Twitter, dass der Elfmeter definitiv im Tor war. Dieser Akt der Fairness bewahrte Valencias Spieler, die dem Spielbericht zufolge zum Teil in der Kabine saßen und weinten, auch nicht vor dem Ausscheiden. Ein verlorener Münzwurf wäre in diesem Fall sicher einfacher zu verkraften gewesen.

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