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Fußball-Nationalmannschaft:Das sportliche Prinzip

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Michael Ballack bekommt die Binde wieder - aber nur, wenn er in Topform ist. Bundestrainer Joachim Löw hat richtig entschieden. Denn für ihn zählte nur ein Kriterium.

Andreas Burkert

Der weiße Rauch sei ja nun endlich aufgestiegen, hat Joachim Löw am Mittwoch amüsiert festgestellt. Weißer Rauch steigt gewöhnlich über der Sixtinischen Kapelle im Vatikan auf, wenn im Konklave die Nachfolge eines verstorbenen oder demissionierten Papstes geregelt ist. Löw hat sich mit seinem Gag in der Frankfurter Kathedrale des hiesigen Fußballfunktionärswesens nicht der Blasphemie schuldig gemacht - es ist nur seine Art gewesen, sich lustig zu machen über das irrsinnige Gewese, das um die angeblich neu zu besetzende Kapitänsrolle gemacht wurde.

Ballack? Oder doch schon Lahm?

Löw hat in seiner souveränen Regierungserklärung, die bezüglich seiner persönlichen Entwicklung als Moderator und Wegweiser des deutschen Fußballs durchaus als Höhepunkt bezeichnet werden darf, dies festgestellt: Der Fußballer Ballack ist weder verstorben noch zurückgetreten, und nicht nur deshalb bleibt er selbstredend Kapitän der Nationalmannschaft. Voraussetzung ist natürlich ein Ballack in bester Verfassung, denn, und diese Neuerung resultiert aus dem WM-Auftritt: Nominierungen nach Namen gibt es im Gegensatz zu früheren Jahren nicht mehr. Dafür besitzt Löws neue Generation zu viel Qualität.

Ein Michael Ballack in Topform sei allerdings "für die Mannschaft eine Verstärkung", hat Löw betont. Kein Experte wird ihm da widersprechen. Es ist die höchstmögliche Form der Zuneigung gewesen, die er dem bald 34-Jährigen zeigen konnte. Löw hat nun weder Ballack beschädigt noch Lahm oder die eigene Idee der flacheren Hierarchien. Denn die Veränderung der Personalpyramide hat Ballack akzeptiert. Sonst wäre er abgetreten. Dass er sich womöglich doch neuen Gegebenheiten anzupassen vermag, hat er in Leverkusen angedeutet, auch wenn er dort neulich vor einem Elfmeter gierig nach dem Ball griff: Kapitän ist auch dort nach seiner Rückkehr ein anderer. Und nicht er, "Leitwolf" Ballack.

Falls Michael Ballack in die Nationalelf zurückkehrt, beim nächsten EM-Block in fünf Wochen oder spätestens Mitte November zum Test in Schweden, würde ihn Löw nicht wegen seiner Verdienste aufstellen. Oder weil er feige wäre -, denn dass er zu harten Entscheidungen fähig ist, hat Löw längst bewiesen. Spielte Ballack wieder, wäre der Bundestrainer nur dem sportlichen Prinzip gefolgt, und dieses Prinzip ordnet sich nicht Hierarchien oder dem Herzen unter. Sondern dem, was überall zählen sollte, sogar im Fußball: die Leistung, das Spiel auf dem Rasen.

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Quelle:
SZ vom 02.09.2010
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