Süddeutsche Zeitung

Deutschland bei der Fußball-EM:Vier Ausrufezeichen

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Dem deutschen Nationalteam gelingt der so wichtige Auftaktsieg auf überzeugende Art und Weise. Gegen Dänemark gewinnt die DFB-Auswahl nach einem fulminanten Spiel mit 4:0.

Von Anna Dreher, London

"War der im Abseits?", fragte Svenja Huth ihre Mitspielerinnen, die gerade jubelnd auf sie zugestürmt waren und sie beglückwünschten. Geradezu überfallartig war das deutsche Nationalteam kurz zuvor auf das Tor der Däninnen gerannt, Linda Dallmann hatte einen cleveren Pass in den Lauf von Jule Brand gespielt, die gab den Ball nach rechts weiter zu Huth, die erst abschloss und dann rätselte. Schiedsrichterin Esther Staubli befragte den Videoschiedsrichter, der erstmals bei einer Frauen-EM eingesetzt wird. Und es dauerte nicht lange, da wurde Huths Frage beantwortet, ihr Tor zählte nicht. Das 3:0 konnten die DFB-Frauen ein paar Minuten später dennoch bejubeln - Lena Lattwein traf in der 78. Minute aus kurzer Distanz - und damit einen erfolgreichen Auftakt in diese Europameisterschaft, den sie 4:0 (1:0) gewannen.

"Wir haben uns in einen Rausch gespielt. Wir sind alle sehr zufrieden. Unser Angriffspressing hat sehr gut funktioniert. Ein 4:0 im ersten Spiel ist überragend", sagte Stürmerin Lea Schüller dem ZDF: "Ich denke, wir haben immer Verbesserungspotenzial. Jetzt sind wir aber zufrieden." Die eingewechselte Spielführerin Alexandra Popp meinte nach dem Startsieg: "Ich kann es gar nicht glauben. Ich bin mega-froh, dass wir so einen Auftaktsieg geschafft haben. Die Mannschaftsleistung war überragend. Wir haben uns unfassbar viele Chancen schon in der ersten Halbzeit herausgespielt. Das 4:0 war auch in der Höhe verdient. Das macht Lust auf mehr."

Der Ball war am Freitagabend schon früh in die richtige Richtung geflogen. Mit jedem Versuch näherten sich die Deutschen gegen Dänemark ihrem Ziel an und erhöhten den Druck, bis schließlich ein kleines Spektakel losging, das den Puls aller Beteiligten nach oben getrieben haben dürfte. In der zehnten Minute zog Linksverteidigerin Felicitas Rauch aus etwa 20 Metern ab, Latte. Drei Minuten später versuchte sie es erneut, wieder Latte. Der Ball prallte zu Schüller, ihr Schuss donnerte an den Pfosten, allerdings aus Abseitsposition.

So ging es weiter und weiter, bis der Ball schließlich sein Ziel fand - mit ein wenig skandinavischer Unterstützung.

Stine Pedersen hatte gerade im Strafraum den Ball wegschlagen wollen, dabei jedoch Lina Magull übersehen. Die Mittelfeldspielerin hatte 2019 im WM-Viertelfinale gegen Schweden das bis dahin letzte deutsche Tor bei einem großen Turnier geschossen, nun machte sie dort weiter, wo sie in diesem Wettbewerb aufgehört hatte. Sie schnappte sich den Ball und zog ohne zu zögern ab. Diesmal war der Pfosten nicht im Weg, diesmal rauschte der Ball unhaltbar an Lene Christensen in der 21. Minute zum 1:0 vorbei.

Der Start in dieses Turnier ist in diesem Jahr besonders wichtig gewesen. Drei Jahre hatten die deutschen Nationalspielerinnen auf das nächste große Turnier warten müssen. Bei der EM 2017 und bei der WM 2019 waren sie jeweils im Viertelfinale ausgeschieden und hatten die Qualifikation für Olympia verpasst. Dieses Kapitel ihrer EM-Historie soll umfassender werden als das letzte.

Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg vertraute der gleichen Startelf wie beim 7:0 im Testspiel gegen die Schweiz. Schon hier hatte sich gezeigt, dass Dynamik, Spielfreude, Kreativität und Selbstbewusstsein während der Vorbereitung gewachsen waren. Nun kam noch ein richtig gutes Pressing dazu. Angetrieben von Svenja Huth, die zu Beginn so gut wie alle Chancen einleitete, setzten die Deutschen die Däninnen permanent unter Druck. Die 31-Jährige vertrat Alexandra Popp als Kapitänin, die fast ein Jahr durch eine Knieverletzung verhindert, dann im Trainingslager an Corona erkrankt war und nun zunächst auf der Bank saß. Aus der Beobachterperspektive sah sie das erwartet intensive Spiel zwischen dem achtmaligen Titelträger und Dänemark, EM-Zweiter von 2017, das Popps Mitspielerinnen klar bestimmten.

Vor 15 746 Zuschauern im Brentford Community Stadium im Londoner Westen wurde DFB-Torhüterin Merle Frohms erst in der 29. Minute zu ihrer ersten richtigen Aktion gefordert, ansonsten blockte spätestens die Abwehrreihe aus Rauch, Marina Hegering, Kathrin Hendrich und Giulia Gwinn die wenigen Angriffe ab. Überhaupt klappte das Zusammenspiel - wie auch die Standards. In der 57. Minute traf Lea Schüller nach einer Ecke per Kopf zum 2:0. Vor dem Spiel hatte Voss-Tecklenburg die Qualität ihres Kaders betont, dank derer sie auf alles reagieren könne. Sie wechselte Lattwein, Dallmann, Brand, Sydney Lohmann und Popp ein, die in der 86. Minute per Kopfball, ihrem Markenzeichen, das 4:0 und damit ihr erstes EM-Tor erzielte.

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