Süddeutsche Zeitung

1860 in der 3. Liga:Unsanfte Landung in Elversberg

Lesezeit: 3 min

Der TSV 1860 München beendet seinen Höhenflug und kassiert die erste Saisonniederlage: Beim 1:4 offenbaren die Löwen Konzentrationsschwächen - und verlieren die Tabellenführung an den Gegner.

Von Christoph Leischwitz

Michael Köllner hat das oft erwähnt, dass er gerne an der Seitenlinie auch mal zum einen oder anderen psycho-taktischen Trick greift. Am Samstagnachmittag im Spitzenspiel bei der SV Elversberg war irgendwann die Trickkiste leegeräumt. Nach dem 2:0 für das gegnerische Team (27.) rief er noch vor Wiederanpfiff die komplette Mannschaft für eine kurze Gesprächsrunde zusammen. In der 45. Minute holte er sich die gelbe Karte wegen Meckerns ab, übrigens schon seine dritte, niemand im Kader des Münchner Drittligisten hat mehr. Später schubste er dann auch noch einen Elversberger Funktionär aus der Coaching-Zone, der dort allerdings auch nicht viel verloren hatte.

Doch alle Versuche, Reizpunkte zu setzen und die Mannschaft wachzurütteln, nutzten nichts, auch nicht diverse Systemumstellungen und Auswechslungen. Und so verloren die Sechziger eine Woche nach ihrer wohl besten Saisonleistung - dem 4:1 über den MSV Duisburg - diesmal mit 1:4 in Elversberg. Das ging in dieser Höhe in Ordnung, auch wenn dem Foulelfmeter zum 3:0 eine fragwürdige Schiedsrichterentscheidung vorausgegangen war (34.) und dem Sechziger Joseph Boyamba nach 59 Minuten zu Unrecht ein Tor aberkannt wurde.

"Wir lassen das Spiel jetzt erst mal sacken und werden uns dann in aller Ruhe im Detail damit auseinandersetzen", sagte Köllner, doch in dem Trainer brodelte es noch lange nach dem Spiel. Man könne ja mal einen schlechten Tag haben - aber doch bitteschön nicht in einem Spitzenspiel.

Es dauerte 40 lange Minuten, ehe ein Ball in Richtung des Elversberger Tors flog

Aufsteiger Elversberg hat den Löwen nun Tabellenplatz eins entrissen, das direkte Aufeinandertreffen der bislang besten Offensiven der Liga ging klar an die Saarländer. Der TSV 1860 hat bislang nur zweimal verloren: Einmal im DFB-Pokal gegen Borussia Dortmund (0:3) und nun also ähnlich hoch gegen Elversberg.

Die Überraschung über das dominante Auftreten des Aufsteigers war schon davor verflogen, Elversberg spielt nachweislich guten Fußball und verfügt über einen breiten Kader, bei dem, ähnlich wie auch bei den Löwen, immer wieder gute Spieler auf der Bank Platz nehmen müssen. Unterschätzt haben die Sechziger den Gegner also keinesfalls. Trotzdem fanden sie überhaupt nicht ins Spiel.

"Wir haben die erste Halbzeit komplett verschlafen", sagte Abwehrchef Vesper Verlaat im Sender Magentasport. "Wir kommen bei jedem Zweikampf zu spät, jede Fünfzig-fünfzig-Entscheidung geht an Elversberg", ärgerte er sich. Es dauerte 40 lange Minuten, ehe einmal ein Ball in Richtung des Elversbergers Tor flog, Angreifer Fynn Lakenmacher hatte eher harmlos geköpfelt.

Boyambas Ehrentreffer verhindert ein völliges Debakel

Der Schiedsrichter habe sicherlich nicht seinen besten Tag gehabt, fand auch Kapitän Stefan Lex. Das 0:1 durch Yannick Rochelt (12.), übrigens ein früherer Spieler des FC Bayern München, habe man schlecht verteidigt - in dieser Situation dürfte vor allem Rechtsverteidiger Christopher Lannert gemeint gewesen sein, der bei dieser einen Flanke aus dem Zentrum zu spät reagierte.

"Vorm 0:2 war ein Foul, das 0:3 war kein Elfmeter, das nicht gegebene Tor zum 1:3 war kein Abseits - heute kam vieles zusammen", zählte Lex auf. Und trotzdem müsse sich die Elf zuerst selbst kritisieren für die sehr schwache erste Halbzeit. Immerhin gelang Boyamba noch der Ehrentreffer (78.), ein völliges Debakel wurde damit verhindert, Elversberg hätte gegen Ende noch ein, zwei Treffer nachlegen können.

Die Sechziger wurden nach ihrem Höhenflug nun von einem anderen Höhenflug-Team geerdet. Die Frage ist jetzt, wie sie den Rückschlag wegstecken werden, und ob am kommenden Freitag gegen Erzgebirge Aue daheim im Grünwalder Stadion wieder alles so schön souverän läuft wie vorher. "Es ist keine Systemfrage", analysierte Köllner noch, man sei einfach immer einen Schritt zu spät gewesen. Die Tatsache, dass er während des Spiels die Mannschaft zusammentrommelte, ist dann auch ein Indiz dafür, dass eher die Einstellungsfrage gestellt werden muss. "Es wird sie jetzt nicht umhauen", sagte der Trainer noch über seine Spieler. Als er das aussprach, sah er allerdings so aus, als ob sie noch einiges auf die Ohren bekommen.

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