Süddeutsche Zeitung

Leverkusen gewinnt:Mit Knalleffekt

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Leverkusen zerpflückt Mönchengladbach in einem unerwartet einseitigen Duell mit 4:0. Die Borussia erlebt einen alptraumhaften Abend: wegen des Ergebnisses und diverser Verletzungen.

Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Auf den Tribünen brach Begeisterung aus, als Joe Scally in der 32. Minute seinen Fernschuss platzierte. Aus 20 Metern hatte Borussia Mönchengladbachs Rechtsverteidiger sein Glück versucht, und an Härte und Tempo hatte es wahrlich nicht gemangelt. Aber der 18 Jahre alte Berufsstarter Scally, zur Jahreswende aus den USA an den Niederrhein gekommen, ließ sich von dem großen Hallo der heimischen Zuschauer nicht täuschen. Er wusste, dass dieser Applaus nur von Hohn und Spott getragen wurde. Sein Ball war wie ein unbekanntes Flugobjekt in den Vip-Logen der BayArena niedergegangen.

Mit ein bisschen Häme wären die Gladbacher zurechtgekommen, aber Scallys Episode war in einer alptraumhaften ersten Halbzeit nur eine Fußnote. Schlimm genug, dass die Borussia gegen Bayer Leverkusen nach elf Minuten 0:2 zurücklag und dazu mit dilettantischem Abwehrverhalten Beihilfe geleistet hatte. Beim 0:1 ging Torwart Yann Sommer in die Schützenliste ein - er hatte Mitchel Bakkers vom Pfosten abgeprallten Schuss ins Tor gelenkt. Beim zweiten Gegentor hatte Patrick Schick so viel Platz wie ein Schütze beim Elfmeter.

Das Borussen-Unglück war damit aber bei weitem nicht erschöpft: Nach Angreifer Marcus Thuram (20. Minute) musste auch Stefan Lainer verletzt den Platz verlassen (45.), der österreichische Rechtsverteidiger war von Bakker übel gefoult worden - und hat wohl einen Knöchelbruch erlitten. Diese ersten Vermutung äußerte Gladbachs Trainer Adi Hütter auf der Pressekonferenz nach der Partie. Dass die Tat mit einem Elfmeter geahndet wurde, spendete den Borussen keinen Trost: Lars Stindl schoss schwächlich geradewegs in die Arme von Lukas Hradecky und vergab damit kurz vor der Pause das 1:2, das vielleicht noch eine Wende ermöglicht hätte.

Frimpong und Diaby hätten in Tokio jede Sprintstaffel geschmückt

So war Bayer Leverkusen am Ende der logische Sieger, beim Stand von 3:0 ließen es die Hausherren gnädig ausklingen, das Schlussresultat von 4:0 stellte ein zweites Mal unfreiwillig Sommer her: Einen Schuss von Nadiem Amiri hatte er schon gepackt - und ließ ihn dann doch über die Linie gleiten.

Mit dem 1:1 zum Saisonstart bei Union Berlin in der vorigen Woche hatte der neue Bayer-Trainer Gerardo Seoane ein Debüt ohne spürbaren Knalleffekt begangen, bei seinem Einstand im heimischen Stadion war das schon ganz anders. Borussia Mönchengladbach offerierte zwar immer wieder Lücken in der Deckung und war damit ein dankbarer Gegner, aber Bayer tat mit Hochgeschwindigkeits-Kontern und extrem bissigem Spiel seinen Teil dazu, um von den Fehlern zu profitieren. Jeremy Frimpong und Moussa Diaby, Bayers Besetzung auf der linken Seite, hätten in Tokio jede olympische Sprintstaffel geschmückt. Ihr Tempo überforderte die armen Gladbacher unentwegt.

Der gründliche Schweizer Seoane nimmt seinen Coaching-Job sehr ernst, in jeder Trink- und Verletzungspause scharte er die Spieler um sich und erteilte ihnen Unterricht. Noch beim Stand von 3:0 dirigierte er seine Elf so engagiert, als wäre die Lage mehr als ernst. Dabei lief die Leverkusener Maschinerie von Anfang an rund, abgesehen von einigen Nachlässigkeiten in der Abwehr, die Gladbach einige Chancen eröffneten. Als kreative Bereicherung der ohnehin gut ausgestatteten Offensivabteilung erwies sich der Brasilianer Paulinho, der zwar seit drei Jahren bei den Rheinländern unter Vertrag steht, aber bisher wegen Verletzungen selten zum Einsatz kam. Auch mit dem stürmischen Verteidiger Bakker dürfte Seoane sehr zufrieden gewesen sein.

Gladbach verzeichnet noch einmal drei Verletzte in Halbzeit zwei

Den Gladbachern blieb das Unglück auch in der zweiten Hälfte treu. Nach gutem Start in den zweiten Durchgang mit drei namhaften Torchancen beendete Diabys 3:0 die Hoffnungen auf ein Comeback, Bensebaini hatte - typisch für diesen Tag - den Ball entscheidend abgefälscht.

Zudem trübten weitere Verluste die Bilanz. Nach einer Stunde setzte sich Matthias Ginter auf den Rasen, ihm war schwindlig, er verließ den Platz. Stürmer Alassane Pléa folgte ihm kurz darauf wegen einer Verletzung. Schließlich beschäftigte auch noch Bensebaini, gerade erst nach einer Verletzungspause zurückgekommen, die medizinischen Betreuer. Die Leverkusener feierten trotzdem ihre gute Laune. Zum Abschied gab's eine genüssliche Ehrenrunde und den Hit der Europameisterschaft, "Sweet Caroline" von Neil Diamond. So laut wie in Wembley war es nicht in der BayArena. Aber laut war es allemal.

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