Süddeutsche Zeitung

Fußball-Bundesliga:Geiz ist nicht geil

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Die Bundesliga ist wieder "in" - sogar im Ausland schielt man auf die vollen Stadien in Deutschland, den überraschenden Aufsteiger und die neue Art, Erfolge zu planen.

Andreas Burkert

Die lieben Nachbarn aus Österreich gelten als rückständig, wenn es um Fußball geht, aber hinter dem Mond leben sie deshalb noch lange nicht. So zeigte ATV diesmal auf Kundenwunsch ausnahmsweise nicht den FC Bayern - gesendet wurde nach dem Publikumsvotum aus Mannheim, der Leihbühne von 1899 Hoffenheim. Das Interesse am seit Wochen andauernden Sturmlauf eines Dorfklubs, der bald kein Dorfklub mehr sein wird, ist grenzenlos.

Es ist aber längst nicht mehr der abenteuerliche Aufstieg eines Winzlings, der diesen Voyeurismus auslöst. Vielmehr ist es die Art und Weise, wie er über ein Terrain schwebt, das Neuland für ihn ist. Hoffenheim ist Tabellenerster - doch unübertroffen ist es vor allem als inhaltlicher Trendsetter. Niemand weiß zwar, wie weit es die von diversen Reservebänken akquirierte Gruppe letztlich bringt. Doch ihr Plan eines Spiels, der aus Pressing, Initiative und Offensivdrang besteht, dürfte nachhaltig die Moderne prägen.

Tore, Tore und nochmals Tore stehen als Idee hinter allen Anstrengungen, denn Hoffenheim versteht sich als Dienstleister. Und nicht als Gefangener des Fußballs. Geiz sei geil, wird einem in der Werbung eingebimst, doch die Zeiten, in denen dies auch im Fußball galt, sind mit dem Abschied von Huub Stevens wohl endgültig passé in der Bundesliga. Vertrieben wurde die fiese Fratze des Catenaccio, hoffentlich für ewig, wohl nachhaltig von den hochtourigen Athleten aus Spaniens und Englands Ligen; hierzulande folgt man jetzt dem fortgeschrittenen Berufsanfänger Klinsmann, Bundestrainer Löw und sicher auch 1899-Coach Rangnick. Die Herren eint, dass sie offensiv und langfristig denken, in Projekten. Und ungern in Momentaufnahmen.

Attraktive Bundesliga

Und so ist die Bundesliga, die kürzlich noch notgedrungen über den Tellerrand schaute, plötzlich unerreicht, zumindest in manchem Parameter: Die Stadien sind voll, und drinnen ist nun oft Fußball total zu bestaunen. Mehr als drei Tore fallen pro Spiel - mehr als seit Jahrzehnten -, und keine europäische Topliga erreicht laut aktuellen Erhebungen diese Werte.

Neben reformierten Spielplänen und der Arenen-Atmosphäre könnte dem jugendlichen Leichtsinn diese erfreulichste Variante einer Flut geschuldet sein. Denn außer aus Selbstverständnis anstürmenden Bremern und Klinsmanns Bayern stellen mit Hoffenheims Debütanten und Labaddias Leverkusenern die deutlich jüngsten Teams die produktivsten Angriffsreihen. Auch das könnte Austria registieren. Denn es debattiert ja gerade wieder über den Nationaltrainer. Der aktuelle ist 69.

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SZ vom 03.11.2008/jbe
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