Süddeutsche Zeitung

Frankreich bei der Handball-EM:"Wir haben schon einen Fuß im Flieger"

Lesezeit: 2 min

Von Carsten Scheele

Frankreich verliert nicht, so lautet eines der Handball-Grundgesetze. Na gut, manchmal schon, aber frühestens gegen Ende eines großen Turniers. Im Finale oder Halbfinale, die Rede ist ja vom Rekordweltmeister (1995, 2001, 2009, 2011, 2015, 2017) und dreifachen Europameister (2006, 2010, 2014). Bis vor wenigen Jahren waren die Franzosen die Alles-Gewinner im Handball. Und nun?

Hat Frankreich gleich das Auftaktspiel bei der EM verloren, gegen Portugal. Eine völlig unerwartete, durchaus sensationelle 25:28 (9:12)-Niederlage gegen das handballerisch kleine Portugal, obwohl die Franzosen mit allen großen Namen angetreten sind: mit Nikola Karabatic, Dika Mem, Luc Abalo. Frankreich hat nun ein Problem: In der Gruppe D spielt auch Norwegen, ein weiterer Titelkandidat. Es droht das Aus nach der Vorrunde.

Trainer Didier Dinart, selbst 379-facher Nationalspieler seines Landes, fand am Tag danach drastische Worte. "Wir haben schon einen Fuß im Flieger", im Flugzeug zurück nach Frankreich, meinte Dinart: "Wir wollen nicht den zweiten auch noch hinein setzen." Zu viele Fehler, zu viele einfache Ballverluste: Seine Mannschaft habe nicht das gespielt, was abgesprochen war. Gegen Ende der ersten Halbzeit traf das Team für zehn Minuten überhaupt nicht ins Tor. Es gab viel aufzuarbeiten, berichtete Dinart, es war eine kurze Nacht.

Portugals Bester spielte nicht einmal mit

Für Portugal ist es dagegen einer der größten Siege, schließlich hat das Land im Handball bislang wenig bewegt. Die beste Platzierung bei einer WM war Platz zwölf, bei einer EM reichte es immerhin zu Platz sieben, doch das ist 20 Jahre her. Diese Portugiesen haben Frankreich nun mit knallhartem, cleverem Druckhandball bezwungen. Mit präzisem Spiel über die Kreisläufer, einer starken Abwehr nebst Torwart Alfredo Quintana, der zwar die komplette Partie mit einer Tamponade im linken Nasenloch absolvierte, aber immer wieder heldenhaft parierte. Mit Rückraumspieler Andre Gomez, der sich im Rückraum hochreckte und die Bälle ins Tornetz zischen ließ, als gäbe es die französischen Abwehrspieler gar nicht.

Portugals Trainer Joao Ferraz lobte die "großartige Teamarbeit", vor allem, wenn man bedenkt, "dass fünf unserer Spieler Fieber haben". Ach ja, Portugals vemeintlich Bester, Rückraumspieler Gilberto Duarte von Montpellier HB, ist verletzungsbedingt bei der EM gar nicht dabei.

Doch die Franzosen wären nicht die Franzosen, würden sie jetzt aufgeben. Schon gar nicht Karabatic, ihr Anführer. "Wenn eine Mannschaft nach einer solchen Niederlage zurückkommen kann, dann wir", sagte Karabatic am Samstag. Immerhin hat das erste Spiel die weitere Turnierplanung erleichtert. "Entweder wir gewinnen gegen Norwegen oder wir fahren nach Hause, so einfach ist das", erklärte Karabatic. Am Sonntag, 18.15 Uhr, kommt es im Trondheim zum verfrühten Showdown. Trainer Dinart freut sich: "Das wird ein großartiger Kampf."

Und überhaupt sind die Franzosen in Sachen Turnier-Überraschung auch nicht alleine: Die hoch favorisierten Dänen, Olympiasieger und Weltmeister, verloren ihr zweites EM-Spiel am Samstagabend gegen Island mit 30:31 (15:15).

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