Süddeutsche Zeitung

Formel 1 in Japan:Hamiltons Drama ist Rosbergs Glück

Lesezeit: 3 min

Nico Rosberg gewinnt erstmals in Suzuka, während Lewis Hamilton zurückfällt. Einiges spricht derzeit dafür, dass der Deutsche Weltmeister wird.

Von René Hofmann

Um Lewis Hamilton herum geschehen zur Zeit viele merkwürdige Dinge. Nach dem Großen Preis von Japan kündigte sein Arbeitgeber Mercedes zunächst an, das Resultat - 1. Nico Rosberg/Mercedes, 2. Max Verstappen/Red Bull, 3. Lewis Hamilton/Mercedes - so nicht akzeptieren zu wollen. Verstappen habe, so hieß es in einem Protest, der um 18.27 Uhr Ortszeit eingereicht wurde, bei einem Manöver gegen den Paragrafen 27.5 der Rennvorschriften verstoßen.

Dieser besagt: Kein Auto darf "unnötig langsam, irreführend oder in einer Weise gefahren werden, die andere Personen gefährden könnte". Verstappen hatte Hamilton einmal so ausgebremst, dass dieser die Strecke in Suzuka kurz hatte verlassen müssen.

Kaum war die Protest-Nachricht in der Welt, setzte Hamilton ihr aber eine eigene entgegen. "Kein Protest von meiner Seite", schrieb er beim Kurzmitteilungsdienst Twitter: "Max ist gut gefahren. Wir sind Champions und blicken nach vorne. Ende." Eine Botschaft, die er zu dem Thema zuvor abgesetzt und in der er auch ein Schimpfwort benutzt hatte, wurde gelöscht. Um 19.50 Uhr teilte der Automobilweltverband mit: Mercedes habe den Protest zurückgezogen.

Es bliebe also dabei: Mit seinem neunten Sieg 2016 baut Rosberg den Vorsprung in der WM-Wertung auf 33 Punkte aus. Aus eigener Kraft kann Hamilton seinen Titel damit bei den noch ausstehenden Wettfahrten in Austin/Texas (23. Oktober), Mexiko-Stadt (30. Oktober), São Paulo (13. November) und Abu Dhabi (27. November) nicht mehr verteidigen; für einen Sieg gibt es 25 Zähler, für einen zweiten Platz 18.

Rosberg befindet sich in einer für ihn ungewohnten Situation: In den vergangenen zwei Jahren, in denen er seinem Teamkollegen im Titelrennen beide Male unterlag, war Hamilton als Führender auf die Zielgerade der Saison gegangen. Der Erfolg an diesem Sonntag war Rosbergs erster in Suzuka. Nach dem Kurs in Spa-Fracorchamps und dem Autodromo Nazionale in Monza ist es die dritte Traditionsrennstrecke, auf der er in diesem Jahr erstmals jubelte.

Auch bei dem äußerst anstrengenden - weil langen - Nachtrennen in Singapur jagte Rosberg dieses Mal zum ersten Mal voraus. Die Liste zeigt, in welch außergewöhnlicher Form er sich aktuell befindet. "Was für ein großartiges Wochenende": Viel mehr gab es zu dem Auftritt in Japan aus seiner Sicht gar nicht zu sagen. "Nico ist einfach ein perfektes Rennen gefahren", lobte Mercedes-Technikchef Paddy Lowe.

Für das Drama ist derzeit offenbar der zweite Mercedes-Mann zuständig: Hamilton. Der zeigte auf den ersten Metern ein selten dargebotenes Kunststück: Er verlor gleich sechs Plätze. "Sorry Jungs, das geht auf mich", funkte Hamilton an die Box. Was der genaue Grund für den schlechten Start war, konnte oder wollte er aber nicht ausführen, seine Räder hätten einfach zu sehr durchgedreht. Warum? "Ich muss erst mal hören, was die Ingenieure sagen", antwortete Hamilton.

Was er von denen zu hören bekommen wird, antizipierten die Teamführer allerdings bereits. "Wie es aussieht, hat er die Kupplung zu schnell hochschnallen lassen", führte Rennstall-Leiter Toto Wolff aus. Team-Oberaufsichtsrat Niki Lauda verteilte einen eindeutigen Tadel: "Das sollte nicht passieren."

Es war nicht das erste Mal, dass die schnellsten Autos mit einer Start-Schwäche auffielen. In Hockenheim war es Rosberg gewesen, der schlecht weggekommen war, in Monza hatte Hamilton schon einmal ähnliche Probleme gehabt. Um den Druck der Kupplung besser spüren zu können, hatten beide selbst Hand an ihre Handschuhe legen lassen. Für ein besseres Fingerspitzengefühl wurden selbst die Nähte der Handschützer geändert. Im Kampf um den Titel bleibt kaum etwas unversucht.

Nach der ersten Runde bis auf den achten Platz zurückgeworfen, glückte Hamilton noch eine beeindruckende Aufholjagd. Hätte Verstappen sich ihm nicht so entschlossen in den Weg gestellt - Hamilton wäre sogar Zweiter geworden. "Er fuhr eines seiner stärksten Rennen", lobte Technik-Chef Lowe: "Großartig schnell, großartiges Reifen-Management und vor allem ein großartiges Verkehrsmanagement."

Die Komplimente-Liste lässt ahnen, wie besorgt die Mercedes-Oberen um die Stimmung des Serien-Siegers von 2014 und 2015 sein müssen, der in Suzuka mehr als einmal Nerven zeigte und damit die aus Sicht des Teams wichtigste Nachricht des Wochenendes überlagerte: Wie in den vergangenen zwei Jahren sicherte sich Mercedes den Sieg in der Konstrukteurs-Wertung vorzeitig. "Ich bin stolz, Teil eines so fantastischen Teams zu sein", gab Hamilton nach dem Rennen zwar brav an - mit etlichen selbstsüchtigen Aktionen aber konterkarierte er diese Aussage.

Seinem Protest gegen den Teamprotest war schon der Abbruch der obligatorischen Medienrunde nach der Qualifikation vorausgegangen. "Ich bin nicht hier, um eure Fragen zu beantworten", befand Hamilton, nachdem ihm etliche Journalisten Respektlosigkeit zugeschrieben hatten, als er sich in der offiziellen Pressekonferenz zum Grand-Prix-Auftakt leidenschaftlicher mit seinem Snapchat-Account beschäftigt hatte als mit allen Fragen. Es sieht so aus, als sei der Weltmeister gerade nicht immer ganz bei der Sache.

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Quelle:
SZ vom 10.10.2016
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