Süddeutsche Zeitung

Formel 1:Eine Schramme im Chassis

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Nur zehn von 130 möglichen Punkten - Sebastian Vettel ist es in seiner letzten Ferrari-Saison bislang nicht gelungen, schnell zu fahren. Nun deutet sich leise Hoffnung an.

Von Anna Dreher, Barcelona/München

Die Hoffnung ist jetzt natürlich, dass endlich alles besser wird. Und wenn sie noch so klein ist. Es gab Zeiten, in denen sich Sebastian Vettel vor seinem Rennwagen niedergekniet und dankbar verbeugt hat. Eine solche Geste vor dem SF1000? Undenkbar. In Silverstone stand Vettel nach einem Motorschaden während der Trainingsfahrten stattdessen am Heck des Ferrari, um herauszufinden, was mal wieder schiefgelaufen war. Sein kritischer Blick sowie die Arbeit der Mechaniker und Ingenieure machten ihn dann aber auch nicht schneller. Platz zwölf, wieder keine Punkte. Und das, während Kollege Charles Leclerc als Vierter erneut zeigte, dass mit dem schwierigen Dienstfahrzeug durchaus umzugehen ist. "Irgendwas fehlt, ich bin mir aber nicht sicher, was es ist", sagte Vettel nach diesem erneut frustrierenden Wochenende in seinem Abschiedsjahr von der Scuderia.

Der Traditionsrennstall der Formel 1 hat auf der Suche nach Antworten nun einen Baustein gefunden, der tatsächlich einen Fehler aufwies, der innerhalb kurzer Zeit behoben werden konnte: das Chassis von Vettels Wagen. Also wurde es für den Großen Preis von Spanien an diesem Sonntag auf dem Circuit de Catalunya (15.10 Uhr, RTL) gewechselt. Nur sind die Aussichten Vettels dadurch auch nicht rosarot geworden. Das Team, erklärte Chassis-Chefingenieur Simone Resta am Mittwoch, habe bei der Analyse des Großen Preis zum 70. Geburtstag der Formel 1 "einen kleinen Schaden entdeckt, der wohl durch einen harten Randstein-Aufprall hervorgerufen wurde". Nur: Dieser Schaden habe "keinen großen Einfluss auf die Leistung" gehabt.

Auch Vettel ist zurückhaltend. "Ich erwarte keine Wunder", sagte er bei der Pressekonferenz am Donnerstag. Wo trotzdem eine Chance für den viermaligen Weltmeister gesehen werden kann, sich nun aus seiner Misere mit nur zehn von 130 möglichen Punkten nach fünf Rennen zu befreien, liegt auch ein Risiko. Seit die Aerodynamik des SF1000 verändert wurde, war Vettel stets langsamer als Leclerc. Obwohl der 33-Jährige, wie er betonte, "alles versucht: früher bremsen, später bremsen, eine andere Fahrlinie wählen". Manch einer hatte ja schon vermutet, Ferrari setze angesichts des ohnehin bevorstehenden Abschieds alle Karten auf Leclerc und behandle diesen womöglich bevorzugt. Er denke, sagte Vettel, dass er gleich behandelt werde. Frustriert sei er jedenfalls nicht. "Ich versuche, mich da nicht hineinzusteigern" und "einfach, meinen Job zu machen", auch wenn die See gerade rauer sei, sagte er: "Ich vertraue den Leuten um mich herum und den Jungs, die an meinem Auto arbeiten." Und wenn das neue Chassis nicht hilft? Auch in dieser Saison stand sich einer der besten Piloten in der Geschichte der Formel 1 mit Fahrfehlern selbst im Weg. Allein zwei Mal schon hat er sich mit Drehern bessere Ergebnisse verbaut, während Leclerc nicht nur schneller, sondern auch konstanter gefahren ist. Zwei Mal kam der 22 Jahre alte Monegasse bereits aufs Podium und hat immerhin 45 Punkte - mit einem Auto, das es seinen Fahrern erschwert, die Lücke zu Red Bull und Mercedes zu schließen. "Leclerc hat Ferrari erneut gerettet", schrieb die italienische Gazzetta dello Sport folgerichtig. Vettels bestes Ergebnis war Platz sechs in Budapest. Hinzu kommt, dass die Beziehung zwischen ihm und Ferrari seit der nicht einvernehmlich und im Mai unter merkwürdigen Umständen vollzogenen Trennung derart belastet ist, dass der Glaube an einen wirklichen Aufschwung schwerfällt. Wie tief die Risse sind, wurde in Silverstone besonders deutlich. Auch wenn Vettel diese Emotionen nicht als fairen Maßstab gelten lassen will. Nach einem diskussionswürdigen Boxenstopp funkte er "Ihr wisst, dass ihr es vermasselt habt!" und sagte später: "Ich glaube, von da wo ich bin, kann es nicht mehr schlimmer werden". Die letzte Saison beim Traumrennstall von einst ist eine überaus verkorkste. Dass all das zu einer vorzeitigen Trennung führen könnte, verneinte Vettel jedoch. "Ich denke nicht. Wir haben das noch nicht mal in Erwägung gezogen oder darüber gesprochen", sagte er am Donnerstag. Die Stimmung sei nicht groß anders als zuvor. Die nächste Bewährungsprobe folgt nun also in Spanien. Ausgerechnet auf jener Strecke auf der sich bei den Testfahrten im Februar schon erahnen ließ, dass Ferrari in diesem Jahr nichts mit dem Titel zu tun haben dürfte. Resta sagte vorsichtshalber schon: "Wir kommen in Barcelona an mit dem Wissen, dass es für uns kein leichtes Wochenende werden wird."

Vettel wird mit den Gedanken ohnehin auch bei seiner entfernteren Zukunft sein, in der er beim künftigen Team Aston Martin, aktuell Racing Point, gehandelt wird. Der in diesem Fall ausgebootete Sergio Perez zeigte sich in Barcelona gelassen: "Was ich vom Team höre, ist, dass sie weitermachen wollen. Meine Position sieht ziemlich sicher aus", sagte er. Perez wurde während seiner Coronavirus-Zwangspause von Nico Hülkenberg vertreten. Dieser wiederum bestätigte nun, unter anderem mit Alfa Romeo im Gespräch zu sein.

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SZ vom 14.08.2020
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