Süddeutsche Zeitung

FC Bayern:Ribérys Nachfolger heißt Ribéry

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Von Christof Kneer, München

In der vergangenen Woche war der Nachfolger von Franck Ribéry für einen Moment gefunden. Der Nachfolger von Ribéry empfahl sich mit einer typischen Ribéry-Szene, er dribbelte auf seinen Gegenspieler zu, täuschte einen Haken an und bog dann scharf und ohne zu blinken in die andere Richtung ab. Ein paar schnelle Schritte, Kopf hoch, ein Pass zur Mitte, und dort stand Thomas Müller und konnte nicht anders: Er schoss den Ball einfach rein. Es war das 1:0 gegen Istanbul.

Der Nachfolger von Franck Ribéry hat in seiner Eigenschaft als Kingsley Coman das zweite Tor dann selbst geschossen, und drei weitere Tore später wussten die Bayern, dass sie jetzt ein exzellentes Luxusproblem haben. Der Luxus: Dieser rasende Coman hat offenbar wirklich das Zeug, demnächst Ribérys Flügel zu übernehmen. Das Problem: Er tut es leider jetzt schon, während Ribéry noch da ist.

Eine Woche später ist das Problem erst mal verschwunden, mitsamt dem Luxus allerdings. Syndesmoseriss oberhalb des linken Sprunggelenks: Diese Diagnose wird die nächsten Wochen und Monate bei Bayern verändern, vielleicht sogar das nächste Jahr. Mit dieser Verletzung, erlitten am Wochenende beim 0:0 gegen Hertha, ist Coman erst mal vom Sport befreit, bis Saisonende möglicherweise. Das bedeutet, dass Ribéry den vor zehn Jahren übernommenen linken Flügel nun noch mal für sich alleine hat, falls Trainer Heynckes nicht ab und zu einen Fachfremden wie den Kolumbianer James nach draußen schickt; und es bedeutet vor allem, dass Ribéry mehr Spielzeit bekommen wird, um sein letztes, großes Karriereziel zu erreichen.

Ribérys Vertrag mit dem FC Bayern, geschlossen mutmaßlich kurz nach der Vereinsgründung, endet im Sommer, aber er will sehr dringend noch ein Jahr weiter spielen, ungeachtet des lästigen Fakts, dass er bald 35 wird. Er sieht das ja so, dass er Franck Ribéry ist, und dass das reichen muss, um zu spielen, wenn er sich in Form fühlt. Also immer, quasi.

Pulisic, Draxler, Bailey: Die Suche nach neuen Tänzern hat begonnen

Ob Ribéry und der ein Jahr jüngere Arjen Robben noch ein Jahr bleiben dürfen, das ist die große, die Rückrunde überwölbende Geschichte, und kurioserweise könnte Comans Verletzung der Geschichte eine neue Pointe verleihen. Für den Rest der Runde sind Ribéry und Robben nun die letztverbliebenen Spezialisten, auch wenn der eher mittig veranlagte Thomas Müller seine schrulligen Laufwege auch von der Außenposition aus ansteuern kann. Vom Präsidenten Uli Hoeneß ist bekannt, dass er vor allem Ribéry gerne noch ein Jahr in München auftreten sehen würde, als Artisten in Teilzeit, der an guten Tagen immer noch konkurrenzfähig ist.

Die Dribblings von Ribéry und Robben sind zu einer Art Folkloretanz geworden, der ins Repertoire dieses bayerischen Zirkus gehört, aber im Verborgenen hat die Suche nach neuen Tänzern längst begonnen. Mit dem an Hoffenheim verliehenen Serge Gnabry haben die Bayern bereits eine bindende Verabredung getroffen, die von Sommer an in Kraft tritt. Auch die Namen Christian Pulisic (BVB), Leon Bailey (Leverkusen) und Julian Draxler (Paris) fallen in wechselnder Stärke und Häufigkeit, aber zumindest ein Flügel ist nach Lage der Dinge vergeben: an Coman, 21, den die Bayern aber erst schätzen lernen mussten.

Der Franzose war eine Personalie des ehemaligen Kaderplaners und heutigen Stuttgarter Sportchefs Michael Reschke, der Comans Weg seit dessen Jugendtagen bei Paris St. Germain verfolgt hatte und intern einige Überzeugungskraft aufbringen musste, um die Bayern erst zu einer Sicherheitsvariante (sieben Millionen Leihgebühr) und dann am letztmöglichen Tag zur Aktivierung einer Kaufklausel (21 Millionen) zu überreden. Tatsächlich war Comans leuchtendes Talent vom ersten Tag an ebenso auffällig wie seine Fehlerquote und eine gewisse Zappeligkeit bei der letzten Aktion, aber unter Anleitung von Heynckes und dessen Assistenten Peter Herrmann war der Franzose zuletzt zu einem Trumpf im Offensivspiel geworden.

Gut möglich, dass es Coman in der nächsten Saison dennoch nicht leicht haben wird. Er wird womöglich mit dem Ehrgeiz eines 35-jährigen Konkurrenten zurechtkommen müssen, der immer, immer, immer spielen will.

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Quelle:
SZ vom 28.02.2018
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