Süddeutsche Zeitung

FC Bayern:Pavards höchst seltsamer Nachmittag

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Aus dem Stadion von Martin Schneider, München

Mit einem 6:1 im Rücken kann man nach dem Spiel auch ehrlich sein und so sagte Bayern-Trainer Niko Kovac, dass man bis zur Trinkpause "nicht stattgefunden" habe. Man sei viel zu lethargisch gewesen, habe die Mainzer Aggressivität nicht erwidert. Außerdem lag der FC Bayern 0:1 hinten, Joshua Kimmich holte sich in der 20. Minute eine gelbe Karte ab, für ein Foul, das man schon irgendwie in die Kategorie "Frust" einordnen kann. Das liest sich nun mit dem 1:6 natürlich ein bisschen seltsam, aber Fußballspiele verlaufen manchmal seltsam und am seltsamsten verlief dieses Spiel für Benjamin Pavard.

Pavard spielt seit diesem Sommer beim FC Bayern, schon die Geschichte seines Transfers ist ja keine gewöhnliche, denn die Bayern haben ihn als Weltmeister verpflichtet und als Absteiger bekommen. In der Vorbereitung tat er sich schwer - aber Niko Kovac stellte ihn bisher in jedem Bundesliga-Spiel auf. Gegen Hertha als Innenverteidiger, gegen Schalke und nun gegen Mainz als rechten Außenverteidiger.

Als Außenverteidiger wurde Pavard Weltmeister, sein Außenrist-Tor gegen Argentinien wird bis zum nächsten Turnier in jedem Highlight-Video vorkommen, aber von seiner Statur her (1,86 Meter), ist er eher ein zentraler Abwehrspieler. Der FC Bayern wollte ihn unbedingt wegen dieser Doppel-Funktion, weil mit Rafinha der ewige Ersatzrechtsverteidiger ging und so musste Pavard gegen Mainz wieder den Flügel runterflitzen und er lief zunächst hinterher.

Das 1:0 der Mainzer ging ein bisschen auf die Kappe von David Alaba, der die Flanke von Ronael Pierre-Gabriel halbherzig verhinderte, aber zum großen Teil ging das Tor auf die Kappe von Benjamin Pavard, weil der den einlaufenden Jean-Paul Boetius einfach widerstandslos passieren ließ. Als ihm in der 29. Minute eine Flanke weit über das Tor rutschte, pfiffen ein paar Leute im Publikum sogar. Pavard stand neben sich.

"Schuldig" habe er sich gefühlt, sagte er nach dem Spiel, weil er das Gegentor verursacht habe. Wie gesagt: Wenn alles gut ausgeht, kann man ehrlich sein. Und es ging gut aus. Flanke Ivan Perisic, Seitfallzieher-Aufsetzer Pavard, 1:1. Sowas wünscht sich jeder: Erst läuft gar nix zusammen und dann schießt man ein Traumtor. Als ob man an einem miesen Tag einen vergessenen 50-Euro-Schein in der selten getragenen Jacke findet. Das vorentscheidende 3:1 von Ivan Perisic bereitete Pavard dann auch noch vor - mit einer wirklich schönen Flanke.

Die entscheidende Frage für Pavard beim FC Bayern

Wie oft Pavard als Rechtsverteidiger auflaufen wird, ließen alle befragten offen. Manuel Neuer, Kapitän und als Torhüter sowas wie der Supervisor seiner Abwehr, sagte, man müsse mal schauen, wie oft man diese Variante spielen werde. Auf Schalke experimentierte Niko Kovac auch mit einer Dreierkette Hernández-Süle-Pavard. Dort spielte Joshua Kimmich, der Stammrechtsverteidiger, wegen einer Thiago-Verletzung im Mittelfeld, diesmal versuchte es Kovac mit beiden zusammen in der Zentrale und zumindest in der ersten Halbzeit stotterte dieser Motor doch merklich. "Der Jo (Kimmich, Anm.) wird mit Sicherheit die Außenverteidiger-Position nicht aufgeben, er wird dort weiter eingesetzt werden. Benji (Pavard, Anm.) ist defensiv stark, der Jo hat offensiv seine Stärken", äußerte sich Kovac nach dem Spiel salomonisch.

Wie genau die Arbeitsteilung zwischen Benji und Jo aussehen wird - das wird wohl die entscheidende Frage für Pavard beim FC Bayern sein. Denn Lucas Hernández, der ja auch Linksverteidiger spielen kann, ist wohl eher fürs Abwehrzentrum vorgesehen und David Alaba wirkt so, als würde er auch seine neunte Saison in Serie mehr oder weniger durchspielen. Wie man Jérôme Boateng (keine Bundesliga-Einsatzminute bisher) in diesem Puzzle unterbringt, ist eine eigene Geschichte.

Er fühle sich "pudelwohl" beim FC Bayern sagte Pavard noch, er freue sich, dass er spielen dürfe und sei auch froh, dass er jetzt zur französischen Nationalmannschaft kann, was man ihm gern glauben mag, weil seine Auftritte mit dem Hahn auf der Brust ihn ja zum FC Bayern gebracht haben - nicht die beim VfB Stuttgart. Und nach der Länderspielpause stehe ja sein erstes Champions-League-Spiel an. Die kennt er bisher nur aus dem Fernsehen.

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Quelle:
SZ vom 01.09.2019
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