Süddeutsche Zeitung

FC Bayern nach dem Pokal-Aus:"Es war ja wohl sein letztes Spiel"

Lesezeit: 3 min

Von Klaus Hoeltzenbein, Dortmund

Als Letzte kamen die wahren Superhelden dieser Nacht aus der Kabine. Das Original, nicht die Kopie.

Die Kopie war vor dem Anpfiff vor der Münchner Südkurve hochgezogen worden, eine riesige Choreografie aus Stoff. Darauf zu sehen der Franzose Franck Ribéry mit Fledermausumhang, nebendran der Niederländer Arjen Robben, dazu die Unterzeile: THE REAL BADMAN & ROBBEN. Selten jedoch ist eine solche Inszenierung derart konterkariert worden wie diese aufwendige Produktion - durch ein "Höllenspiel", als das es Jürgen Klopp zusammenfasste. Eine Nacht, die sich in ihrer Zuspitzung bis zum letzten der vier Fehlversuche des FC Bayern im Elfmeterschießen (durch Torwart Manuel Neuer) immer weiter aus der normalen Stadion-Realität zu lösen schien. Die so bizarr war, dass Dortmunds Trainer sie wiederholt in den Sprechblasen "geil" und "cool" bündelte. Eine Nacht wie ein Fußball-Comic.

Erst als dieser Comic vom DFB-Pokal-Halbfinale schon abgeschlossen zu sein schien, folgte der Auszug von Pierre-Emerick Aubameyang und Marco Reus aus der Arena. Beide trugen eine moderne Version des Ghettoblasters abwechselnd auf der Schulter, rhythmisch zuckten sie zum Sound, den die Boxen auswarfen.

Vor wenigen Wochen hatte sich Aubameyang eine gelbe Karte wegen irregulärem Jubel eingefangen. Vor dem Prestigesieg gegen Schalke (3:0) hatte er einen Beutel neben das Tor gelegt, aus dem er dann eine Batman-Verkleidung zog. Für Reus hatte er die Robin-Maske mitgebracht.

Auf diese Szene suchten die Münchner Ultras eine Antwort. Aus Batman wurde in ihrer Choreografie ein Badman: Ein Bösewicht. Dies aber waren die beiden Abgebildeten wahrlich nicht, konnten sie gar nicht sein; Ribéry war verletzt gemeldet, Robben wurde durch einen denkwürdigen 16-Minuten-Einsatz später zum Darsteller des Absurden. Zum Teil einer Dramaturgie, auf die das Duo Aubameyang/Reus ein Copyright einforderte: Wir sind die wahren Gangster dieser Liga! Nicht ihr! Der echte Batman, der echte Robin. Beide bilden in Dortmund eine Fahrgemeinschaft, seit jene Geschichte polizeibekannt ist, dass Reus nie einen Führerschein hatte, und deshalb heute nicht mehr selber fährt.

Knarz, urks, knurr, grrrrr - klassische Comic-Laute bildeten dann um Mitternacht die Begleittöne zu dem, was sonst so alles zu sagen war. Im Zentrum: der Schiedsrichter. "Es war ja wohl sein letztes Spiel. Vielleicht ist es besser, dass das Kapitel Gagelmann zu Ende ist", stellte Bayern-Vorstand Rummenigge erzürnt fest, und empfahl: "einen Optiker."

In der Tat hatte der 47-jährige Peter Gagelmann, der aufgrund der Altersgrenze zum Saisonende ausscheidet, einen Elfmeter übersehen, der den bis dahin überlegen operierenden Bayern womöglich das 2:0 und somit die Endspiel-Reise zum 30. Mai nach Berlin beschert hätte. Gagelmann war vollauf geständig: "Es ist natürlich sehr ärgerlich, wenn man eine solche Handszene nicht wahrnimmt." Allerdings hielten ihm die Bayern vor, dass er auch in einer zweiten Schlüsselszene falsch lag. In jener, in der Dortmunds Torwart Mitchell Langerak in der 117. Minute mit den Händen zugleich den Ball und das Gesicht von Robert Lewandowski erwischte.

Gegenrechnen konnten die Borussen nicht allzuviel. Allenfalls, dass neben dem Dortmunder Kevin Kampl schon auch der Münchner Xabi Alonso irgendwann mit Gelb-Rot vom Platz gedurft hätte - der Spanier erwies sich einmal mehr als ein Großmeister des taktischen Foulspiels.

Einige Dortmunder machten dann aber doch eine weiter reichende Rechnung auf. Nämlich jene, dass ihre Final-Teilnahme auch als eine Art Rückzahlung dafür verstanden werden könnte, dass ihnen der Gagelmann-Kollege Florian Meyer im Pokalfinale 2014 einen regulären Treffer versagt hatte. Bayern-Verteidiger Dante hatte einen Mats-Hummels-Kopfball erst hinter der Linie aus dem Torraum gekratzt, es wäre das 1:0 für den BVB gewesen.

Es war ja eine weitere Skurrilität in dieser Dienstagnacht, dass jener Berliner Ball damals ebenso klar (oder unklar) hinter der Linie war wie nun der 1:1-Ausgleich durch Batman, durch Aubameyang (75.). Spät, aber aus Dortmunder Perspektive nicht zu spät hatten sich die Kräfteverhältnisse mehr zugunsten der Gäste verschoben, was ziemlich genau mit der Einwechslung von Henrikh Mkhitaryan für Shinji Kagawa (70.) zusammenfiel. Mkhitaryan war es auch, der zu Aubameyang flankte, dessen Schuss Torwart Neuer erst Zentimeter hinter der Linie stoppen konnte.

Am Dienstag genügten die Augen des Schiedsgerichts, im Finale in Berlin werden sie entlastet. Dort darf aufgrund des Vorjahres-Sehfehlers erstmals die Hilfe der Hawk-Eye-Torlinientechnik in Anspruch genommen werden. Eine Maßnahme, die einen ähnlich knarzigen Konter verhindern könnte, wie ihn der Dortmunder Senior Sebastian Kehl, 35, nach dem Abpfiff gegen die Münchner führte: "Die Schuld beim Schiri zu suchen, ist ein bisschen Banane. Wenn die Bayern keine Elfer schießen können, müssen sie's halt üben."

Fünf Mal hatten die Bayern noch im Viertelfinale im Wettschießen in Leverkusen getroffen, nun scheiterten sie an Nerven, Querbalken, Langerak, besonders aber am seifigen Geläuf. Was sogar in den Dortmunder Fan-Kreisen sofort den Humor-Reflex auslöste, wonach sie in München nun schnell über eine Begnadigung von Lothar Matthäus nachdenken sollten. Das Hoeneß-Verdikt von einst, der Altmeister werde beim FC Bayern nie mehr was, nicht einmal mehr Greenkeeper, sei bei solchen Platzverhältnissen nicht zu halten.

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Quelle:
SZ vom 30.04.2015
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