Süddeutsche Zeitung

Kingsley Coman:Drei Pässe und eine Flanke später

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Von Vivien Timmler, München

Neun Minuten, drei Pässe und eine Flanke: Mehr war nicht drin für Kingsley Coman. Der Münchner ging in der 66. Minute gegen Hertha BSC zu Boden, fasste sich an den hinteren Oberschenkel, das Gesicht schmerzverzerrt. Dabei hatte ihn Trainer Kovac eigentlich schonen wollen, ihn erst in der 58. Minute für den doch recht unterdurchschnittlich spielenden Ribéry gebracht. Als Coman schließlich aufstehen konnte, humpelte er mit gesenktem Kopf vom Feld.

Coman humpelte auch eine gute Stunde später noch, als er sich an den Journalisten vorbei den Weg zum Mannschaftsbus bahnte. Auf die Frage, wie es ihm gehe, lächelte er gequält und wiegte die Hand von einer Seite zur anderen. "So lala", sollte das wohl heißen. Seiner Körpersprache zufolge war selbst das noch ein gehöriger Euphemismus. Die Diagnose ist ein Muskelfaserriss im linken, hinteren Oberschenkel, wie der Verein später mitteilte.

Doch auch sonst war es nicht das Spiel der Münchner Flügelspieler, dieses knappe 1:0 gegen Berlin. Ribéry, Coman, Müller - im Laufe der 90 Minuten sollten drei Spieler auf einer Position spielen, von denen zumindest zwei nicht den Eindruck erweckten, als wollten sie das allzu unbedingt. Kovac hatte Franck Ribéry in die Startformation beordert, gönnte Kingsley Coman eine Pause, nachdem der sich gegen Augsburg kurz vor Schluss verletzt hatte und deswegen auch in Liverpool nicht bei hundert Prozent seines Leistungsvermögens war.

Doch schon früh zeigte sich, dass auch Ribéry von seinen hundert Prozent weit entfernt war. Oder von seinen hundert Prozent der vergangenen Jahre? Der 35-Jährige jedenfalls, der nicht müde wird zu betonen, dass er auch mit 38 gern noch Fußball spielen würde, kam einfach nicht ins Spiel. Seine Pässe kamen nicht an, seine Dribblings unterbanden die Herthaner schon im Ansatz und die weiten Laufwege überließ er von vornherein David Alaba.

"Es ist klar, dass er nicht zufrieden ist", sagt Salihamidzic über Müller

Zu seiner folgerichtigen Auswechslung sagte Kovac später: "Franck ging es nicht gut, das war der einzige Grund für die Auswechslung." Es kam schließlich Coman, es ging Coman. Und in der 67. Minute betrat Thomas Müller den Platz. Der Müller, der - seine Rot-Sperre gegen Liverpool ausgenommen - seit vier Spielen in keiner Anfangself mehr stand. Nun sollte er also den Ersatz vom Ersatz geben. Das ließ er sich zwar auf dem Platz nicht anmerken, später aber, als die Journalisten zum Interview baten, wiegelte er nur ab. "Da kommt nichts Gescheites bei raus."

Für den Rest der Saison sieht sich der FC Bayern vor einem Dilemma. Sind Coman und Gnabry fit, haben die Münchner die vielleicht besten Flügelspieler der Liga. Doch fällt einer oder gar zwei von ihnen aus, stehen sie vor einem Problem. Ribéry kann Coman derzeit nicht gleichwertig ersetzen, erst recht nicht über 90 Minuten. Und auf der rechten Seite gibt es schlicht keinen Gnabry-Ersatz, während Arjen Robben an einer mysteriösen Verletzung leidet.

Nun wäre da zwar noch Müller, der auf Jahre voller Flügelerfahrung in der Nationalmannschaft zurückgreifen kann - wenn auch dort nur unter größtem Missfallen. Und der zurzeit dankbar sein dürfte für jede Minute auf dem Feld, seit Kovac wieder konsequent auf James Rodríguez setzt. Doch der Flügel ist nicht seine Lieblingsposition, Müller sieht sich dort eigentlich ganz und gar nicht. "Es ist klar, dass er nicht zufrieden ist", weiß auch Sportdirektor Salihamidzic. "Aber er hat das heute gut gemacht. Er hat dazu beigetragen, dass wir die drei Punkte holen."

Bis zum vorerst wichtigsten Spiel der Saison gegen Liverpool sind es noch 18 Tage. Ob Coman seinen Muskelfaserriss bis dahin auskurieren wird, ist ungewiss. Sicher ist nur: Der FC Bayern braucht ihn topfit. Ein angeknackster Flügel gegen Hertha BSC ist zu kompensieren. Gegen Liverpool würde er eine gefährliche Schwächung bedeuten.

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SZ vom 24.02.2019
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