Süddeutsche Zeitung

FC Bayern:Die Bundesliga kämpft gegen den eigenen Erstickungstod

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Nach sechs Bayern-Meisterschaften in Serie fahndet die Konkurrenz nach einem Gegenmittel. Und findet sogar einen Mutmacher.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Der Respekt gilt auch dem Bayerischen Fußballverband. Zählt er doch zu den wenigen im Lande, die das unfassbar hohe Tempo des alten und neuen deutschen Meisters noch mitgehen können, wo man schon geglaubt hatte, da käme in diesem Lande niemand mehr mit. Doch keiner gratuliert so flott wie Rainer Koch. Um 17.19 Uhr bliesen die Agenturen am Samstag die Eilmeldung vom 4:1 in Augsburg und der besiegelten 28. Meisterschaft des FC Bayern in die Welt hinaus - Sekunden später, um 17.21, war der flotte Koch bereits auf Sendung. Die gar nicht mal so kurze E-Mail des bayerischen Fußball-Präsidenten gipfelte in der Feststellung, dass der ruhmreichste Sportklub des Freistaates "seine Rolle als Maß aller Dinge" ... "zum wiederholten Male eindrucksvoll unter Beweis gestellt" habe. Der Kern der Botschaft? Auf das Wörtchen "wiederholt" kommt es an, denn darin kollidieren gerade Wohl und Wehe des deutschen Fußballs.

Zum einen ist es gar nicht schlecht, wenigstens eine Mannschaft zur Bundesliga zählen zu können, die so gut ist, dass man sich mit ihr in Liverpool, Madrid oder Barcelona nicht schämen muss. Zum anderen aber spielt der FC Bayern deshalb zu Hause noch lange nicht außer Konkurrenz. Im Gegenteil: Er nutzt die bestens honorierten Ausflüge an die internationalen Fleischtöpfe, um noch mehr Speck anzufuttern - folglich stapeln sich in seiner Speisekammer daheim die Trophäen.

Sogar der FC Bayern lernt dazu

Erfolg nährt Erfolg. Und so entwickelt sich jene Wiederholungsschleife, in der die Bundesliga jetzt ihren Erstickungstod fürchtet. Auch wenn sechs Meistertitel in Serie in Europas großen Ligen noch nicht der Rekord sind: Juventus Turin strebt akut Serientitel Nummer sieben an, Olympique Lyon kennt eine solche Erfolgskette aus den Jahren 2002 bis 2008.

Längst suchen die Ersten nach einem Gegenmittel. Nach dem Serum gegen die tabellarische Langeweile. Sie diagnostizieren den Münchner Kader und glauben, durchaus Anfälligkeiten entdecken zu können. Ein Generationswechsel steht an, Robben, 34, und Ribéry, 35, kommen zumindest biologisch in die Jahre, der chronisch kaputte Mittelfuß von Torwart Manuel Neuer hat die nächste Belastungsprobe noch nicht bestanden, und überhaupt: Wer trainiert dieses Sanatorium eigentlich nach Jupp Heynckes?

Es gibt aber noch einen anderen dramaturgischen Mutmacher für die Rest-Liga der Republik. Denn häufig bekam das Personal des FC Bayern in den Spielzeiten unmittelbar nach Weltmeisterschaften einen Schwächeanfall. Klubs wie Mönchengladbach (1974/75), Kaiserslautern (1990/91), Stuttgart (2006/07) oder Dortmund (2010/11) wussten diesen WM-Effekt zu ihren Gunsten zu nutzen.

Doch sogar der FC Bayern lernt dazu. In der Spielzeit nach der rauschhaften 2014er-Nacht von Rio lagen die Münchner sofort wieder vorne. Sollte ihnen dies nach der WM in Russland erneut gelingen, wäre der erste Gratulant wohl schon bekannt: der flotte Rainer Koch. Er könnte sich aus dem Stehsatz nähren. Zwei, drei Worte ändern, den 28. auf den 29. Titel umschreiben - und raus mit der alten E-Mail in die Wiederholungsschleife.

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Quelle:
SZ vom 09.04.2018
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