Süddeutsche Zeitung

Durchsuchung beim spanischen Klub:Barça unter Schock

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Im Zuge einer Razzia wegen "Barçagate" nimmt die katalanische Polizei den Ex-Präsidenten Josep María Bartomeu und weitere Vereinsfunktionäre vorläufig fest.

Von Javier Cáceres, Barcelona/München

Joan Laporta rang nach Worten, als er am Montagvormittag bei einem Liveinterview im Radiosender UA1 von einer Meldung überrascht wurde, die man in Spanien getrost als "Breaking News" etikettieren konnte. Und die den eigentlichen Gesprächsinhalt - die am Wochenende anstehende Präsidentschaftswahl beim FC Barcelona - komplett in den Hintergrund drängte. Die Meldung besagte, dass Beamte der katalanischen Polizei die Geschäftsräume des FC Barcelona aufgesucht und kurz darauf diverse Personen vorläufig festgenommen hatten, darunter den im Oktober als Barça-Präsidenten zurückgetretenen Unternehmer Josep María Bartomeu. Er hatte von 2014 bis 2020 amtiert.

"Schockierend" sei das, sagte Laporta, der einst selbst, von 2003 bis 2010, Barcelonas Präsident gewesen war und gute Chancen hat, das Amt wieder zu übernehmen. "Das ist keine gute Nachricht, und auch wenn sein Mandat nicht gut war: Wir sprechen schon noch von einem Ex-Präsidenten Barças...", sagte Laporta, der Bartomeu 2003 in sein Präsidium geholt hatte, sich dann aber mit ihm zerstritt.

Der Klub will mit den Behörden kooperieren, pocht aber auf die Unschuldsvermutung

Welche Vorwürfe Bartomeu im Einzelnen gemacht werden, war zunächst unklar. Gewiss war freilich, dass sie um die Affäre namens "Barçagate" kreisen. Darunter firmiert die skurrile, millionenschwere und mutmaßlich überteuerte Verpflichtung einer Internet-Firma namens I3 Ventures. Offiziell sollte sie die Auftritte des FC Barcelona in den sozialen Netzwerken "überwachen" und das Image von Bartomeu schärfen. Es stellte sich allerdings heraus, dass illustre Bartomeu-Gegner, Klublegenden wie der heutige Manchester-City-Trainer Pep Guardiola und sogar aktuelle Spieler wie Lionel Messi und Gerard Piqué Opfer von Cyber-Mobbing wurden.

Bartomeu versichert, von diesen Machenschaften keine Kenntnis gehabt zu haben - öffentlich, aber auch in Vier-Augen-Gesprächen mit Messi, der im vergangenen Sommer nicht zuletzt wegen Bartomeu den Klub verlassen wollte. Wie auch immer: Eine Gruppe von Barcelona-Mitgliedern brachte "Barçagate" zur Anzeige und beschuldigte Bartomeu unter anderem der Untreue und Korruption. Nun folgte die vorläufige Festnahme. Das gleiche Schicksal erlitten Geschäftsführer Óscar Grau, Romà Gómez Ponti, der Leiter der Rechtsabteilung, sowie Jaume Masferrer, der unter Bartomeu Kabinettschef war. Sie wurden auf eine Wache in Stadionnähe gebracht. Der Klub, der seit dem Rücktritt Bartomeus von einem Übergangspräsidium geleitet wird, sicherte den Behörden "umfassende Mitarbeit" bei der Aufklärung des Falles zu. Und unterstrich, dass die Unschuldsvermutung zu gelten habe.

Das betonte - neben Laporta - auch ein weiterer Präsidentschaftskandidat, Toni Freixá. Grundlos ist das nicht. In Barcelona ist noch sehr gegenwärtig, dass der Vorgänger und Intimus Bartomeus, Sandro Rosell, im Jahr 2019 in einer Korruptionsaffäre freigesprochen wurde - "im Zweifel für den Angeklagten", hieß es nach einer nachgerade barbarisch langen Untersuchungshaft. Sie dauerte 643 Tage.

Dass Bartomeu derlei auch blüht, ist natürlich nicht gesagt. In jedem Fall wird seine Amtszeit mikroskopisch beäugt - zumal Barça Verbindlichkeiten jenseits der Milliardenschwelle plagen. Vor wenigen Tagen enthüllte der Radiosender Cadena SER ein erstaunliches Geschäft, das sich unter Bartomeus Mandat zutrug, die Verpflichtung eines brasilianischen Fußballers namens Malcom, der heute bei Zenit St. Petersburg spielt. Seine Ablöse von 41 Millionen Euro an Girondins Bordeaux war happig; nun stellte sich heraus, dass ein Spieleragent für den Transfer eine satte Provision einstrich: zehn Millionen Euro.

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