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Affäre in Spanien:Barça überwies jahrelang hohe Summen an Schiedsrichterfunktionär

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Der FC Barcelona hat der Nummer zwei des spanischen Schiedsrichterwesens allein zwischen 2016 und 2018 angeblich knapp 1,4 Millionen Euro überwiesen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Korruptionsverdachts.

Von Javier Cáceres, Berlin

Die Steuererklärung eines hochrangigen Schiedsrichterfunktionärs hat den FC Barcelona am Vorabend der Europa-League-Partie gegen Manchester United (Donnerstag, 18.45 Uhr, RTL) unter Rechtfertigungsdruck gebracht. Wie der Radiosender Cadena SER und die Zeitung As am Mittwoch berichteten, hat Barça der Privatfirma des ehemaligen Vizepräsidenten des spanischen Schiedsrichterausschusses, dem Ex-Referee José María Enríquez Negreira, über Jahre hinweg für eine recht obskure Tätigkeit hohe sechsstellige Summen zukommen lassen. Allein in den Jahren 2016 bis 2018 habe Enríquez staatsanwaltlichen Ermittlungen zufolge 1,39 Millionen Euro von Barça erhalten.

Enríquez, 77, hatte von 1975 bis 1992 rund 130 Erstligaspiele geleitet. Von 1994 an bis 2018 bekleidete er das Amt des Vizepräsidenten des Schiedsrichterausschusses im spanischen Verband - und damit einen enorm einflussreichen Posten. Er entschied zwar nicht über Schiedsrichteransetzungen. Er hatte aber beispielsweise bei Auf- und Abstiegen von Referees ein gewaltiges Wort mitzureden.

Das Geld soll für mündliche Scouting-Berichte und "technische Gutachten" geflossen sein - Dokumente dazu gibt es nicht

Der Öffentlichkeit gänzlich unbekannt war seine heikle Nebentätigkeit für Barça. Die Darstellung der Cadena SER legt nahe, dass er sie schon zu Beginn des Jahrtausends aufnahm - über seine im Jahr 1995 gegründete Firma "Dasnil 95 SL". Die ehemaligen Vereinspräsidenten Josep María Bartomeu (2014 bis 2020) und Sandro Rosell (2010 bis 2014) sollen erklärt haben, dass es schon vor 2003 Zahlungen an Dasnil gegeben habe - sprich vor dem ersten Mandat des aktuellen Präsidenten Joan Laporta, der den Klub bereits von 2003 bis 2010 leitete. Demnach würde der Beginn der Beziehung zu Enríquez in die Zeit von Ex-Präsident Joan Gaspart (2000 bis 2003) fallen. Gaspart habe das nicht dementiert, aber versichert, "keine Kenntnis" von den Vorgängen zu haben. Bartomeu wiederum erklärte, die Zahlungen an Enríquez im Jahr 2018 im Zuge von Corona-Einsparungen eingestellt zu haben.

Der Zahlungszweck wirft Fragen auf. In einem Statement bestätigte Barça, dass einem namentlich nicht genannten "externen Dienstleister" Honorare gezahlt wurden - für Scouting-Berichte zu Nachwuchsspielern in Spanien und für "technische Gutachten" zu Schiedsrichtern der Spiele der ersten und zweiten Mannschaft Barcelonas. Auf den Vorhalt der Steuerbehörden, dass es keine Dokumente für die Berichte gebe, habe Enríquez erklärt, die Berichte seien "mündlich" übermittelt worden. Die Staatsanwaltschaft nahm daraufhin Ermittlungen wegen eines möglichen Korruptionsdelikts auf.

Enríquez bestreitet, Barça je bevorzugt zu haben

Barça unterstrich in seinem Kommuniqué, es habe sich um eine Praxis gehandelt, die auch bei anderen Klubs "üblich" sei. Barça habe sie mittlerweile einem hauptamtlichen Vereinsangestellten anvertraut. Spaniens Fußballverband RFEF reagierte freilich alarmiert. In einer Stellungnahme bedauerte der Verband "ethisch fragwürdige Verhaltensweisen". Sowohl Referees wie auch Schiedsrichterausschuss-Mitgliedern seien Tätigkeiten untersagt, "die zu Interessenkonflikten führen können". Der Verband bot der Staatsanwaltschaft zugleich jede Unterstützung bei der Aufklärung des Falles an.

Barça-Präsident Laporta wiederum ging zum Gegenangriff über. Es sei "kein Zufall", dass die Informationen "jetzt" auftauchten, sagte er in Anspielung auf die blendende Performance des Tabellenführers der spanischen Liga. Laporta erklärte, man werde die "Ehre und die Interessen" des Klubs verteidigen - und gegebenenfalls "rechtliche Schritte" gegen jene einleiten, die auch nur "Andeutungen" über das Gebaren des Klubs veröffentlichen. Enríquez hat laut Cadena SER bestritten, Barcelona jemals bevorzugt zu haben.

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